Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Prinz hielt große Stücke auf Graviata, er wollte, dass es ihr in ihrem neuen Heim an nichts fehlte, eine der besten Köchinnen des Palastes war gerade gut genug für sie. Es sei schlimm gewesen, sagte Else, all die Zeit mit ihnen zu verbringen, mit Graviata und den Kindern, sie lieb zu gewinnen und immer zu wissen, dass ein schreckliches Ende auf sie alle wartete. Damals seien ihr zum ersten Mal Zweifel gekommen, ob Graviata wirklich dieser Ausbund an Bösartigkeit war, als den Clarisse sie immer darstellte.
»Aber ich konnte doch nicht weg von Clarisse«, jammerte sie. »Ich war ihre Komplizin, und ich konnte euch nicht warnen, ohne mich selbst zu verraten. Außerdem ist Clarisse meine Verwandte, ich habe sonst niemanden mehr. Meine Eltern sind tot, ich war nie verheiratet und habe keine Kinder.«
»Du Ärmste«, sagte Wanda. »Ich fang gleich an zu heulen. Hast du jemals daran gedacht, dass Clarisse gelogen hat, dass du vielleicht so wenig mit ihr verwandt bist wie mit Ellwin dort?«
»Halt mich da raus«, sagte Ellwin pikiert. »Zumindest hat Madame Else sich heute entschlossen, die Seiten zu wechseln und uns in höchster Not beizustehen. Dafür sind wir Euch dankbar, Madame Else, und ich bin sicher, dass, wenn alles gut ausgeht, woran ich nicht zweifele, Euer heutiges Verhalten sehr zu Euren Gunsten sprechen wird.«
Ungefähr da schlug Lulus Kopf mit einem Rums auf die Tischplatte, doch davon bekam sie nichts mit, sie war eingeschlafen.
Sie erwachte, als Ellwin ihr einen Becher schwarzes, heißes Zeug unter die Nase hielt. »Kaffee«, sagte er und flößte ihr ein paar Schlucke ein. Lulu schüttelte sich, es schmeckte scheußlich. Aber sie wurde wach.
»Es ist Zeit«, sagte Ellwin. »Churro hat den Wagen vorgefahren. Wir brechen auf.«
16. Kapitel
E ine dünne Mondsichel hing am Himmel und spendete gerade so viel Licht, dass sie sich auf ihrer nächtlichen Fahrt zurechtfanden. Ellwin hatte sich eine Geschichte ausgedacht, die er den Soldaten der Stadtwache hersagen wollte, falls sie angehalten würden, doch sie hatten Glück. Kein einziger Soldat patrouillierte in den verschlungenen Gassen, durch die Else sie führte. Sie brachte sie vor das Haupttor der Dienstbotensiedlung. Natürlich war es so spät in der Nacht längst verschlossen, aber Else hatte einen Schlüssel.
Als sie durch die Siedlung rollten, lugte Wanda durch einen Riss in der Plane. »Dort hab ich gewohnt«, raunte sie und zeigte auf eins der kleinen Häuser, das haargenau so aussah wie alle anderen.
»Noch kannst du weg«, sagte Rafaela. »Du kannst zu deinen Leuten zurück und behaupten, wir hätten dich entführt.«
»Dort sind keine Leute von mir«, sagte Wanda. »Ich hab bei Fremden gewohnt. Ihr seid meine Leute.«
»Oh!« Rafaela schluckte.
»Schon gut«, erwiderte Wanda.
»Tut mir leid«, begann Lulu, »dass wir dich nie nach deinem Leben gefragt haben, wo du herkommst, ob deine Eltern …«
Doch Wanda unterbrach sie. »Schon gut«, wiederholte sie.
»Wandas Eltern sind verarmt«, raunte Damiano seinen Schwestern zu. »Sie konnten ihre Kinder nicht mehr alle ernähren und da haben sie Wanda verkauft. Sie war damals erst …«
»Es ist gut, verdammt noch mal!«, rief Wanda mit erstickter Stimme. Sie brauchten kein Licht, um zu merken, dass ihre Freundin mit den Tränen kämpfte.
Der Wagen passierte ein weiteres Tor und rollte durch die Gasse zwischen den Mauern. Sehr bald schon ertönte Churros verhaltenes »Brrr!«, mit dem er die Pferde zum Stehen brachte. Sie hatten die Pforte erreicht. Im Licht der Wagenlaterne sah sie unverändert aus, genau wie früher, als die Kinder sie ständig auf ihren Wegen benutzt hatten. Doch würde sie sich auch noch öffnen wie früher?
Sie tat es, ganz selbstverständlich, genau wie Else es vorausgesagt hatte. Die Köchin huschte wendig und viel geschickter, als man es ihrem plumpen Körper zugetraut hätte, vor ihnen her, über einen Trampelpfad zwischen Sträuchern und tief hängenden Ästen hindurch. Sie alle mussten sich sehr bemühen, sie nicht aus den Augen zu verlieren und dabei so wenig Geräusch wie möglich zu machen. Es half ihnen kaum, dass sie diesen Teil des Parks von früher kannten, oft hatten sie mit Bumbum und den Tieren hier gespielt. Im spärlichen Mondlicht sah alles anders aus. Lulus Herz raste, als wollte es ihr jeden Augenblick zum Hals herausspringen.
Die meisten Probleme bereitete ihnen die alte Anassia. Ihr Körper taugte nicht mehr für nächtliche Ausflüge
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