Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
geben wird.«
»Aber der Befehl der Königin wurde nicht widerrufen«, beharrte der Soldat. »Wir, das sind die Palastwache, die Parkwächter und die Gärtner haben Befehl, auf alle Tiere zu schießen.«
»Auch auf Hunde und Katzen?«, fragte Rafaela ungläubig.
»Die Königin mag keine Tiere, nur Bäume und schöne Blumen«, sagte Lulu und wunderte sich, woher sie das wusste.
Auch der Soldat wunderte sich, aber er nickte zustimmend. »Ihre Majestät findet Tiere, äh, vulgär.«
»Das heißt gewöhnlich«, erklärte Graviata, bevor jemand fragen konnte. »Na schön.« Sie hatte einen Entschluss gefasst. »Lulu, du schickst die Krähen weg. Es ist hier zu gefährlich für sie. Sie sollen sich in der Stadt ihre Schlafplätze suchen. Es gibt massenweise alte Häuser und mehr als genug Futter in der Gegend des Hauptmarktes. Morgen suchen wir einen Platz, wo du dich gefahrlos mit Corina treffen kannst.«
Lulu nickte tapfer. Sie strich Corina zum Abschied noch einmal über den Kopf, dann flog ihre Freundin mit ihren Kumpanen davon, zurück in Richtung Stadtzentrum.
»Ich wollte, wir hätten auch ein Haus am Hauptmarkt«, sagte Rafaela. »Wir können doch nicht riskieren, dass die unsere Tiere abschießen.«
»Ich werde das regeln«, versprach Graviata. »Jetzt beziehen wir erst einmal unser Haus, verschließen Fenster und Türen und halten die Tiere heute Nacht drinnen. Morgen sehen wir weiter.«
Niemandem war so recht wohl dabei, aber etwas Besseres fiel ihnen auch nicht ein. Der junge Soldat öffnete das Tor – vor ihnen lagen die Palastgärten.
5. Kapitel
E s hätte sehr schön sein können, die herrlichen Gärten zu durchfahren. Da waren alte Bäume, riesig und fremdartig, Rosenhecken, leuchtende Blumen, deren Namen sie nicht kannten, von zierlich eleganten Pavillons gekrönte Hügel, künstliche Wasserfälle, Teiche mit Seerosen und schwungvoll gebogenen Holzbrückchen, Mauerwerk und Säulengänge. Die Kinder sahen das alles, wussten auch, dass es schön war, aber freuen konnten sie sich nicht daran. Sie hielten krampfhaft ihre Tiere fest, voller Angst, sie könnten aus dem Wagen springen, um dieses neue, interessante Land auf eigene Faust zu erkunden. Murks und der Captain brannten darauf, das war ihnen deutlich anzusehen, und selbst der Traurige Ralf war beim Anblick des vielen Wassers aus seiner Depression erwacht.
Der Soldat lenkte den Wagen auf einen der Nebenwege, sie passierten ein kleines Tor in einem niedrigen Mäuerchen und kamen in einen Teil des Parks, der sich deutlich von dem, den sie gerade durchfahren hatten, unterschied. Er wirkte einfacher, war mit einheimischen Pflanzen bewachsen, hauptsächlich Kiefern, Ginster und Heidekraut. Es gab einen Teich mit einem Steg, an dem ein Kahn dümpelte. Sabber bellte sehnsüchtig aus tiefster Brust. Rafaela beugte sich über ihn und hielt ihm den Mund zu, während Lulu versuchte, den quirligen Murks zu halten, der sich in ihren Armen wand wie ein Aal. Die Tiere hatten genug von dem engen Wagen. Sie fühlten, dass das Ende ihrer Reise gekommen war, und wollten nur noch hinaus.
»Dem Himmel sei Dank, da ist das Haus«, sagte Graviata.
Es war hübsch, soweit Lulu das im Durcheinander ihrer Ankunft beurteilen konnte: ein großes, weißes Steinhaus mit einem Schieferdach, einer rundlaufenden Veranda, Säulen und zwei Türmchen mit goldenen Spitzen im ersten Stock. Vor den Stufen der Veranda hatten sich zwei Frauen und ein Mann aufgestellt, eine Art Begrüßungskomitee, wie es schien, aber es war keine Zeit, sich begrüßen zu lassen, denn alle stürmten aus dem Wagen, Graviata zog den Captain an seinem Halsband, Lulu trug den sich windenden Murks und Rafaela keuchte unter dem Gewicht des Traurigen Ralf. Bumbum kletterte als Letzter aus dem Wagen, steckte einen Daumen in den Mund und stolperte, seine Ente am Schnabel hinter sich herziehend, der Mutter und den Schwestern nach.
»Ganz durch«, kommandierte Graviata, »zu den Wirtschaftsräumen!«
Sie rannten durch eine Diele, eine Halle, einen Flur, ein paar Stufen hinunter in eine schöne, saubere Küche, in der es hervorragend roch. Eine Menge Töpfe, Platten und Schüsseln standen auf der Anrichte und dampften verführerisch. Trotz all der Aufregung bemerkte Lulu, wie hungrig sie war.
»Zurück!«, rief Graviata und machte kehrt, aus der Küche hinaus in den Raum daneben, eine Art Waschküche, auf blank gescheuertem Boden mehrere Zuber, Waschbretter und Holzgestelle, ein großer Kessel über einem
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