Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman
Büchern«, schimpfte er, »stehen wahllos irgendwelche Redewendungen, die irgendwelche sogenannte Gelehrte und Magier von abtrünnigen Hexen aufgeschnappt und übersetzt haben. Es ist idiotisch zu glauben, wir könnten da drin einen Fluch finden, den Mama oder eine alte Verwandte von Mama vor vielen Jahren zusammengebastelt hat. Idiotisch ist das. Idiotisch!«
»Aber was sollen wir denn sonst tun?«, fragte Lulu unglücklich.
»Wir sollten andere Hexen fragen.«
»Ach Mano, du weißt doch, dass wir das nicht können. Wir wissen nicht, wem wir trauen können. Sie würden uns vielleicht verraten.«
»Larabelle würde uns nicht verraten«, beharrte Damiano trotzig.
Nein, das würde sie nicht. Trotzdem war da keine Möglichkeit und Damiano wusste das.
»Wir würden sie in viel zu große Gefahr bringen, schon klar«, brummte er. Angewidert schaute er auf den Bücherstapel vor sich und griff nach seinem Tabak, um sich eine Zigarette zu rollen. Aber er war zu fahrig, das Ding zerbröselte. Er wollte es noch einmal versuchen, da war kein Tabak mehr da.
»So ein Mist!«, brüllte er außer sich vor Wut und wischte mit einer Armbewegung den gesamten Bücherstapel vom Schreibtisch. Einem weiteren Stapel, der auf dem Boden aufgebaut war, versetzte er einen Fußtritt, dass die Bücher durch den halben Raum flatterten. »Mist! Mist! Mist«, brüllte er.
Lulu ließ ihn toben. Solange er die Bücher nicht zerriss oder ins Kaminfeuer pfefferte, war das in Ordnung. Er würde sich schon wieder beruhigen.
Sie hockte sich auf den Boden und blätterte wahllos in den Büchern herum. Ein Buch gefiel ihr auf Anhieb, es war das einzige mit Bildern, schönen, bunten Bildern fast auf jeder zweiten Seite. Einige davon kamen Lulu sehr bekannt vor.
»Was ist das für ein Buch?«, fragte sie.
»Ein Führer!«, herrschte Damiano sie an. »Da steht drin«, fügte er genervt hinzu, als er Lulus verständnisloses Gesicht sah, »was es hier in der Stadt und der Umgebung für Sehenswürdigkeiten gibt. Ein verdammter Reiseführer eben. Ich hab ihn bloß hingelegt, um drin zu blättern, wenn ich mal Zeit habe. Aber ich habe ja keine verdammte Zeit!«
Neugierig blätterte Lulu das Buch durch. Der Text interessierte sie weniger, aber die Bilder waren schön. Der Hauptmarkt war abgebildet und natürlich der Palast, einige Straßenzüge, die Lulu wiedererkannte, und dann …
»Da ist ja der Turm!«, rief sie. »Der Turm, den man von der Wiese hinter dem Haus aus sieht. Corina mochte ihn nicht und ich mag ihn auch nicht. Er ist hässlich und irgendwie gruselig.«
»Der Rosen – turm«, entzifferte sie mühsam und stockend die kleine Schrift, »auch Rösner – turm genannt, gehörte zum be – rühmten Rosenhaus. Auf sieben Fel – dern züch…«
»Was liest du da?«, fragte Damiano verblüfft. Er riss ihr das Buch aus der Hand und las selbst: »Der Rosenturm, auch Rösnerturm genannt, gehörte zum berühmten Rosenhaus. Auf sieben Feldern züchtete die Besitzerin, eine Hexe mit Namen Clarisse, sieben verschiedene Rosensorten, wenn man der Überlieferung glauben darf, eine schöner und leuchtender als die andere, doch alle von der gleichen Farbe: Rot, die Farbe des Blutes. Sieben Rosenbüsche umrankten das Haus und kündeten dem Reisenden mit ihrer Leuchtkraft von Ruhm und Können seiner Besitzerin. Sieben Fenster mit rotem Glas zierten die Front des Hauses, sieben Kamine aus roten Ziegeln krönten sein Dach. Clarisse wurde reich und berühmt durch ihre Rosen, die jedem Käufer zu Jugend und Schönheit verhalfen. Doch all ihr Wissen konnte nicht verhindern, dass ihre Rosen von einer Krankheit befallen wurden und welkten. Clarisses Ruhm und Reichtum schwanden. Ihr Schicksal konnte nie ganz geklärt werden, wahrscheinlich kam sie bei einem Unfall ums Leben, als der vermutlich baufällige Turm einstürzte. Das Haus verfiel, die Rosenfelder verwilderten. Einzig ein Rest des alten Turms ragt auch heute noch wie ein mahnender Finger in den Himmel hinauf und erinnert uns daran, dass nichts auf dieser Welt von Dauer ist.«
Damiano hatte geendet und starrte Lulu an, Lulu starrte ihn an. Sie brauchten eine kleine Weile, um die betulichen Worte des Reiseführers in sich einsickern zu lassen. Und dann schossen sie hoch, als hätte ein Skorpion sie gestochen, stolperten fast übereinander und stürzten zur Tür. »Rafaela!«, schrien sie.
Die kam von oben heruntergepoltert. »Habt ihr was?«, fragte sie aufgeregt.
Die beiden zogen sie ins Zimmer und
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