Das Geheimnis des Scriptors
Passanten an und trat mit seinen Sandalen gegen den Bordstein. Pullia ging selten aus, schickte ihn jedoch manchmal los, um Besorgungen zu machen. Zur Essenszeit rief sie ihn herein, indem sie schroff seinen Namen brüllte. Er wurde nicht schlechter behandelt als einige der Kinder meiner älteren Schwestern, aber durch seine Lebensweise war es sehr wahrscheinlich, dass er einen von uns bemerken würde, während wir von der anderen Straßenseite unsere Überwachung durchführten. Er schien ein intelligentes Kind zu sein, das sich vermutlich an uns erinnerte.
Irgendwann entdeckte mich tatsächlich jemand – wenn auch auf unerwartete Weise. Es geschah während meiner Schicht. Helena, mit Favonia auf dem Arm, brachte mir gerade einen Essenskorb. Ich hatte mich fast genau gegenüber des Torhauses eingerichtet. Dort war ein leeres Grundstück, vielleicht als Erweiterung des Forums vorgesehen. Manchmal brachte eine verrückte alte Frau Krumen für die Vögel, aber die gaben sich unnahbar, und sie schlurfte herum, ohne in meine Nähe zu kommen. Auf der anderen Straßenseite standen zwei Häuser, deren Bewohner zu mir herüberschauten, als würden sie mich für einen potenziellen Einbrecher halten. Wenn sie mich mit Helena sahen, konnten sie sich wenigstens damit trösten, dass ich hier nur in der Hoffnung auf eine ehebrecherische Affäre rumlungerte. Das war eine gute Ausrede für uns, in der Öffentlichkeit zu schmusen – immer ein billiges Vergnügen. Derweil übte Sosia Favonia das Herumtappen.
Die Ostianer waren nicht besonders humorvoll und missbilligten unsere Knutscherei. Zum Glück sah unser lockiges Kind in seiner sauberen weißen Tunika und der winzigen Perlenkette so süß aus, dass über unser Verhalten bald hinweggesehen wurde. Wir hörten auf, uns anstößig zu benehmen, und spielten die stolzen Eltern, die ihr Kind vorführten.
Ich fand es nicht gut, meine Kinder als Requisite für eine Tarnung zu benutzen. Meine Mutter wäre außer sich gewesen. Helenas Mutter hätte Favonia an sich gerissen und Zuflucht in einem nahe gelegenen Tempel gesucht.
In meiner Zeit als einsamer Privatschnüffler hatte ich mich anderer Methoden bedient. Ich hätte mich hier in dreckigen Lumpen niedergelassen und gegen eine Säule gelehnt – nur hatte sich Petronius die Rolle des abgerissenen Gammlers für seine nächtlichen Observationen geschnappt. Ich hatte vorgegeben, Maler zu sein, doch als ich mich auf einen Hocker setzte und Skizzen auf meiner Notiztafel anfertigte, hatten sich die unvermeidlichen Gaffer hinter mir versammelt. Sie machten deutlich, dass meine Skizzen grauenhaft waren. Mehrere rieten mir, es aufzugeben und mir eine anständige Arbeit zu suchen. Die Situation ließ es nicht zu, dass ich antwortete, die hätte ich bereits, und sie fragen konnte, ob sie Diocles kannten.
Schließlich rüstete ich mich mit Seilen und Stangen aus, dazu einem Eimer und ein paar Schwämmen, errichtete eine Absperrung vor der Außenwand von Privatus’ Haus (das an einer Seite des offenen Grundstücks lag), warf mir eine einarmige, ungegürtete Tunika über und tat so, als würde ich das Mauerwerk reinigen. Das würde von jedermann als endlose Aufgabe hingenommen werden, und dazu eine, bei der ich als der unbrauchbare Arbeiter zwangsläufig ein Faulpelz war. In dieser Rolle war ich sicher, solange Privatus nicht vorbeikam und wissen wollte, wer mir Anweisungen gegeben hatte, die Patina seines Hauses zu ruinieren.
Ich faulenzte immer noch in meiner Rolle als Renovierer herum, als Helena mir den Korb mit meinem Mittagessen brachte. Um das Torhaus gegenüber zu beobachten, musste ich nahe der Straße bleiben. Über den Decumanus Maximus schob sich der ganze geschäftige Verkehr des Tages. Jede Menge Karren und Esel kamen in die Stadt herein, während sich in der Gegenrichtung allmählich wie üblich alle stauten, die noch an diesem Abend mit ihren Waren die Hauptstadt erreichen wollten. Dann tauchte aus Richtung Rom rasselnd und voller Dramatik ein Fahrer ohne Gefühl für Verkehrsregeln auf. Fluchend verlangsamten die Kutscher, die in die andere Richtung wollten, das Tempo und verkeilten ihre Fahrzeuge ineinander.
Er war ein Protzbrocken. In knalligem Rot, an die dreißig, halbseiden, stolz auf seine üppige Tolle und mit dicken Goldketten behängt, gab er eine aufsehenerregende Figur ab. Er hatte ein Mädchen dabei. Natürlich brachte ihn ihre bewundernde Anwesenheit dazu, auf seine Pferde einzupeitschen – er hatte zwei
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