Das Geheimnis des Scriptors
hielt inne, unsicher, wie ich darauf reagieren würde. »Ich glaube, dein Vater könnte sich ihnen anschließen.«
»Jupiter, hilf!«
»Also, ich habe Posidonius gesagt, wo er dich finden kann.« Das würde Papa jetzt auch wissen. »Ich kann hierbleiben, wenn du willst, Marcus, aber ich würde lieber zurückkehren und das Büro in Rom leiten.« Er hatte eine komische Art, das auszudrücken. Unser Büro in Rom bestand nur aus meinem Haus und allen, die an die Tür klopften, um uns ihre Probleme zu bringen. »Claudia würde glücklicher sein«, gestand Quintus.
Ich sagte, was immer Claudia glücklich mache, mache auch mich glücklich. Da sich einer der Partner nach Griechenland absetzte, musste ich den anderen bei Laune halten, sonst müsste ich wieder Tag und Nacht als einsamer Privatschnüffler die Straßen abklappern.
Der Senator hatte recht gehabt, es gefiel mir inzwischen, das Leben zu genießen.
Als Aulus seiner Mutter in den Wagen half, was sie mit weniger Gewandtheit als gewöhnlich bewerkstelligte, murmelte ich Quintus zu: »Wenn deine Mutter morgen nach Portus kommt, sollte sie ihren Schmuck zu Hause lassen.«
Julia Justa war stets auf eine zurückhaltende Weise gepflegt. Sie wählte ihre Tuniken in Farbtönen aus, die ästhetisch mit den Überwürfen kontrastierten. Heute war sie in zwei Violett-Tönen gekleidet. Selbst für eine Reise und ein formloses Fischessen im Freien trug sie eine Kette aus zwei Reihen hängender Goldspindeln, große Ohrringe mit dicken Perlen, Reifen an beiden Armen und diverse Ringe an den Fingern. Falls sie die öffentlichen Thermen benutzte, wäre ihr bestickter Gürtel ein Magnet für Langfinger, genau wie ihre perlenbestickten Schuhe.
»Du glaubst doch nicht, dass meine Mutter einer Entführung zum Opfer fällt!«, schnaubte Quintus. »Die würden sich kräftig übernehmen. Am Ende würden sie uns Lösegeld zahlen, nur um Mama loszuwerden!«
»Der Punkt ist«, wies ich ihn hin, »dass sie wohlhabend aussieht, und da dein Vater mit Vorliebe seine Toga mit der roten Borte abwirft, wenn er Rom verlässt, wird niemand wissen, dass sie die Frau eines Senators ist. Jag ihr keine Angst ein, aber bring sie zur Vernunft.«
Decimus war jetzt hinter seiner Frau in den Wagen gestiegen und winkte uns fröhlich durch das kleine, mit Gardinen behängte Fenster zu. Ursprünglich musste die ihre eine Vernunftehe gewesen sein. Ich wusste, dass Julia Justa Geld mit in die Ehe gebracht hatte, wenn auch weniger, als die verarmten Camilli tatsächlich brauchten. Trotzdem hatten sie daraus eine Verbindung voller Zuneigung und Stabilität gemacht.
»Sie gerät nicht in Gefahr, wenn ihr Rang bekannt wird?« Quintus war dabei, sich ihnen anzuschließen.
»Die Bande ist nicht dumm. Sie will keinen Ärger. Sie suchen sich Händler aus fernen Provinzen aus, um die Unterstützung einzuschränken, die ihre Opfer hier in Italien erhalten könnten. Dann versetzen sie sie derart in Angst und Schrecken, dass sie nur noch nach Hause fliehen wollen. Das funktioniert bestens. Da sie sich auf Außenseiter beschränken, ist es ihnen – bisher – gelungen, einen Aufschrei zu vermeiden.«
»Wollte Diocles die Sache öffentlich machen?«
»Möglicherweise hat er unabsichtlich diesen Eindruck erweckt.«
Quintus wartete, während sich Helena in den Wagen beugte, um ihren Eltern Abschiedsküsse zu geben. »Und was ist mit Diocles passiert, Marcus?«
»Vielleicht hat ihm ein freimütiger kilikischer Seefahrer erklärt, ihm wäre es lieber, wenn Diocles den Mund hielte.«
»Und ihn dann fortgeschleppt?«
Das mochte sein, aber ich hatte immer noch das Gefühl, dass sich Diocles nicht weit von Ostia entfernt hatte.
Nachdem wir unserem Besuch nachgewinkt hatten und Ruhe auf der Straße eingekehrt war, gingen die anderen nach oben. Ich blieb noch ein paar Minuten alleine stehen und atmete die Nachtluft ein. Helena und Albia würden drinnen sein, die Kinder waschen und sie ins Bett bringen. Ich würde bald für meine Zudeckpflichten gebraucht werden.
Ich stand in der Dunkelheit und empfand ein schmerzhaftes Mitgefühl für Posidonius, der seine einzige Tochter an einen Abenteurer verloren hatte.
XXXIV
A m nächsten Morgen zogen wir alle mit Aelianus nach Portus und brachten ihn an Bord der Spes. Als die Camilli-Brüder das letzte Mal ins Ausland reisten, waren sie mit uns nach Britannien gekommen. Helena und ich, immer begierig auf Reisen, verspürten einen gemeinsamen Stich, als wir uns wappneten, einen
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