Das Geheimnis des Scriptors
immer Momente für eigene Gedanken.
Ich brachte die anderen in einem der Höfe des Aquarius unter. Die Taverne war günstig gelegen, und ich würde mich nicht von einem asozialen Kilikier abschrecken lassen. Das Aquarius war groß genug, mit vielen Gästen fertig zu werden, und hatte eine angenehme, seriöse Atmosphäre. Wenn man über die Tatsache hinwegsah, dass sich dort gelegentlich bewaffnete Piraten häuften, war es das ideale Familienrestaurant. Außerdem war Cratidas nirgends zu sehen.
Wir speisten gut, wenn auch in leicht gedrückter Stimmung, und verbrachten damit dank der ziemlich langsamen Bedienung fast den ganzen Nachmittag. Auch wenn wir uns gegenseitig versicherten, dass Aulus das Richtige tat und dass sein Schiff solide und gut geführt war, birgt eine Seereise doch immer Gefahren. Es würde mehrere Wochen dauern, bis er an Land ging und per Brief seine sichere Ankunft bestätigen konnte, dann weitere Wochen, bis der Brief seinen Weg nach Rom fand. Wenn Aulus nicht vergaß zu schreiben. Seine Mutter sagte, in dieser Hinsicht sei er nicht sehr zuverlässig.
Als wir fertig waren, kabbelten der Senator und ich uns um die Rechnung, aber am Ende zahlte er. Ich hatte Dinge zu erledigen, doch es war nur höflich, die Camilli für die Verabschiedung zu unserer Wohnung zu begleiten.
»Mach dir keine Sorgen, Mama.« Helena konnte sich nicht verkneifen, ihrer Mutter noch eins auszuwischen. »Der Tagesanzeiger behauptet, die Gerüchte, dass Piraten wieder ihr Unwesen treiben, seien falsch …« Als Julia Justa sie entsetzt anstarrte, gab ich dem Kutscher rasch ein Zeichen, loszufahren.
Nachdem wir den Wagen hatten verschwinden sehen, überfiel uns eine gewisse Schwermütigkeit. Während die Kinder losliefen, um nach Spielzeug zu suchen, das sie am Abend zuvor vergessen hatten, folgten Helena, Albia und ich ihnen langsam in den Hof. Nach unserem großen Familienbankett wirkte er verlassen.
Helena wischte sich eine Träne weg. Ich nahm sie in die Arme. »Aulus wird schon nichts passieren.«
»Natürlich nicht.« Sie wurde forscher. »Da wir jetzt alleine sind, müssen Albia und ich dir etwas zeigen. Sie hatte heute Morgen einen Besucher.«
»Macht dir jemand schöne Augen?«, neckte ich Albia. Sie warf mir einen hitzigen Blick zu.
»Lass das«, warnte Helena. »War nur gut, dass ich heimkam, um sie zu holen. Er setzte Albia ganz schön zu.«
Jetzt wurde ich als Paterfamilias wütend. »Dem werd ich’s zeigen! Wer war der Dreckskerl?«
»Ein Sklave namens Titus.«
Titus? Dieser muntere Aufschneider, der für die Vermieterin an der Porta Marina arbeitete, der Sklave, der Diocles’ Zimmer ausgeräumt hatte. Ich konnte mir vorstellen, wie der aufdringliche Lümmel mit Albia anzubandeln versucht hatte, als er sie allein vorfand. Er hatte sie bestimmt für eine Sklavin oder Freigelassene gehalten.
Ich schaute zu Albia, die ungeduldig schnaubte. Helena hatte die unerwünschten Avancen gestoppt. Es war kein Schaden entstanden. »Er hat ein paar Sachen gebracht, Marcus Didius.« Albia hatte bereits gelernt, dass ich brauchbare Berichte benötigte. »Zuerst war seine Ausrede, dass Diocles zwei gute Tuniken in der Wäsche gelassen hatte. Die wären ›unerwartet ans Licht gekommen‹, behauptete Titus.«
»Falsche Größe für ihn!« Ich grinste.
»Ich sagte, das würde für ein Trinkgeld nicht reichen.«
»Ausgezeichnet. Das letzte Mädchen, das für mich im Büro Nachrichten entgegennehmen sollte, ließ sich zu leicht um den Finger wickeln.«
»Lügen«, murmelte Helena, auf die ich mich bezogen hatte. »Erzähl ihm den Rest, Albia.«
»Notizbücher.«
»Notizbücher! Ich dachte, die hätten wir schon – größtenteils leer.«
»Diese sind vollgeschrieben. Eine ganze Menge. Ich glaube, Titus hat sie behalten, weil er hoffte, sie könnten wertvoll sein. Jetzt hat er Angst, dass er in Schwierigkeiten kommt.« Albia spuckte aus. Eine Angewohnheit, die wir ihr noch abgewöhnen mussten. »Und das wird er auch. Früher oder später, und ich schätze, früher …« Männern Verhängnisse vorherzusagen befriedigte Albia sehr. »Titus sagte – oder er gab es vor –, er sei von dem Scriptor gebeten worden, auf diese Tafeln aufzupassen. Sie an einem sicheren Ort zu verwahren und niemandem davon zu erzählen. Daher hat er sie vor dir geheim gehalten. Aber gestern seien Männer ins Haus gekommen und hätten danach gefragt, und jetzt hat Titus furchtbare Angst.«
»Wer hat ihm Angst eingejagt?«
»Namen
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