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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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wusste er nicht.«
    »Ich habe einen raschen Blick auf die Tafeln geworfen«, erklärte Helena. Ich konnte mir vorstellen, wie sie sie überflogen hatte, bevor sie zum Mittagessen ins Aquarius zurückeilte. »Zwei verschiedene Verfasser, würde ich sagen. Manche sehen wie alte Tagebücher aus – mach dir keine Hoffnungen; es geht nicht um Liebesaffären von Berühmtheiten. Das sind Schiffslogbücher oder Ähnliches.«
    »Wie langweilig! Ich kann bestens auskommen ohne einen Haufen Geschreibsel wie ›Wind Nord auf Nordnordwest, bewegte See; hatte Bohnen zum Abendessen, musste gewaltig furzen‹.«
    Helena hatte Albia an ruhigen Abenden das Lesen beigebracht. Albia musste die Tafeln auch überflogen haben und meldete sich jetzt zu Wort. »Marcus Didius, da geht es mehr um ›Termessos: fünf von der Constantina verkauft; guten Preis für den Wein … Vor Samos auf die Iris getroffen. War knapp, aber lohnend‹.«
    »Wer hat diese Logbücher geschrieben?«
    »Das steht da nicht. Es gibt viele ›Treffen‹.« Albia war ein aufgewecktes Mädchen. Sie wusste, dass wir über Piraten gesprochen hatten. »Die meisten sind ›knapp‹ und enden mit einer Liste guter Preise.«
    »Fünf von was verkauft?« Ich fing Helenas Blick auf. Genau wie ich vermutete sie das Schlimmste.
    »Die Listen der Verkäufe sind endlos«, berichtete mir Albia unglücklich. »Sind das Menschen, diese Zahlen? Diese fünf und zehn und drei und sogar zwanzig? Sind das Menschen, die in die Sklaverei verkauft werden?«
    »Die Tafeln sind alt und abgenutzt«, versuchte Helena sie zu beruhigen. »Ich glaube, wir werden herausfinden, dass diese Ereignisse Jahre zurückliegen.«
    Realistisch, wie sie war, wusste Albia, dass nicht alle in Not geratenen Menschen aus ihrem Missgeschick gerettet werden konnten, wie es ihr geschehen war. Schließlich sagte sie mit leiser Stimme: »In eine der sauberen Tuniken war ein Schwert eingewickelt, Marcus Didius.«
    »Hat Titus irgendwas dazu gesagt?«
    Albia betrachtete Titus als eine der miesesten Kanalratten. »Nein, er tat es als unwichtig ab, aber er war erpicht darauf, das Ding jetzt an dich loszuwerden.«
    Ich sagte, sie solle es mir zeigen, und so gingen wir nach drinnen.
    Das Schwert war ein schlichtes Modell mit kurzer Klinge in einer schlecht passenden, verdrehten Lederscheide. Kein Soldat oder Veteran hätte ihm einen zweiten Blick gegönnt, aber ein aus dem kaiserlichen Palast Freigelassener, aufgewachsen unter Bürokraten, hätte nicht erkannt, dass die Waffe schlecht ausgewogen und stumpf war. Auf der Klinge, die nie geölt und gepflegt worden war, hatte sich Rost angesetzt, und auf dem mit einer groben Schweißnaht befestigten Griff war noch mehr Rost. Ein scharfer Schlag, und die beiden Teile würden auseinanderfallen, nahm ich an. Ich bezweifelte, dass Diocles diese Waffe je benutzt hatte. Er musste sie nur zur Beruhigung besessen haben.
    Also hatte er, als er das letzte Mal ausging, die Waffe in seinem Zimmer gelassen, weil er meinte, sich an einen sicheren Ort zu begeben, entweder allein oder mit Menschen, die ihm nichts antun würden. Wichtiger noch, er hatte geglaubt, dass er zurückkommen würde.

XXXVI
    I ch ließ Helena mit den neuen Notiztafeln allein. Die Kinder waren zufriedengestellt, und so hatte sie die Muße, dieses geschriebene Werk zu lesen und zu interpretieren. Die Tafeln bedeckten einen ganzen Beistelltisch. Die meisten sahen alt aus, ihre Holzumrahmung ausgeblichen und eingetrocknet. Diese waren mit den unregelmäßigen Kritzeleien gefüllt, die Albia beschrieben hatte. Ein paar neuere Tafeln entsprachen denen, die wir zuvor in Diocles’ Zimmer gefunden hatten. Vielleicht enthielten sie einen Hinweis darauf, was mit ihm geschehen war.
    Helena versicherte mir, diese Aufgabe benötige eine Person, die alles durchsah – und das sei sie. Ich machte mich stattdessen zu den beiden Tavernen auf, in denen Banno über die Freilassung seiner entführten Frau verhandelt hatte.

    Ich fand sie ziemlich leicht. Die eine reizlose Kaschemme hieß die Muschel, die daneben war die Venus. Verschmierte Bildsymbole warben dafür. Sie waren Einraumlöcher von der Art, wie sie reihenweise an jedem Meeres- oder Flussufer zu finden sind – verräucherte Innenräume, wo Essen und Getränke zubereitet wurden, und draußen grob zusammengezimmerte Tische, die sich in endlosen Reihen von einer Kneipe zur nächsten zusammenquetschten. Die Bedienungen – falls Gäste eine finden konnten, die sie

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