Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Abend war noch jung, und ich musste nachdenken. Ich machte mich auf den Weg.
    Ein kurzer Spaziergang führte mich vom Fluss weg und auf das Forum an dessen Westseite. Als Versuch, den Vigiles auszuweichen, erwies sich das als Katastrophe. Weitere Mitglieder der Vierten standen aufgereiht am Fuße des Kapitols. Ich entdeckte Rubella unter ihnen, also zeigten sie ihr bestes Verhalten, obwohl sie wegen der verpassten Taverneninspektion übel gelaunt waren. Im Allgemeinen bekamen die meisten von ihnen den Kohortentribun nie zu Gesicht. Sie starrten ihn neugierig an.
    Petronius sekundierte Rubella, kaute am Daumen und sah gelangweilt aus. Ich erkannte auch Fusculus, Petros Stellvertreter in Rom. Fusculus, ein immer runder werdender fröhlicher Bursche, schien heute Abend der diensthabende Offizier zu sein. Er hatte eine kleine Gruppe zu einer halbherzigen Ehrengarde formiert. Die Vigiles tragen keine Uniformen und Waffen, weshalb sie nicht mit blank polierter Ausrüstung paradieren können, und was den Drill angeht, der besteht aus Lebensrettungsratschlägen und Übungen mit der Feuerbekämpfungsausrüstung. Sie marschieren nur widerwillig. Der Salut eines Vigilen fällt meist verächtlich aus. Ordentliche Reihen löschen keine Brände. Hätte jemand aus der Menge hier um Hilfe gerufen, dann hätte sich die Vierte als aus guten Männern bestehend erwiesen. Aber Zeremonien waren nicht ihre Stärke.
    Daher scharrte hier eine chaotische Gruppe in allen Größen und Gewichtsklassen herum, bekleidet mit scheckigen handgewebten Tuniken, während Fusculus freundliche Instruktionen von sich gab, wenn ihm danach war. Von Natur aus entspannt, genoss Fusculus es, Gauner zu fangen, um sie für eine Abhandlung über die Unterwelt auszuquetschen. Er war ein Experte für kriminellen Jargon; sein Steckenpferd hatte ihn weit hinausgeführt über die simple Wäscheklauerei und die fröhliche, aber plumpe Schlauheit der Trickbetrüger zu Ausdrücken wie ausbaldowern, schinageln und die Platte putzen (eine, wie er mir mal erzählt hatte, kürzere Version des Marathonlaufs, was im Gassenjargon des Aventin Flucht vor dem Gesetz bedeutete). Fusculus hatte jedoch keinerlei Interesse an dem heutigen langatmigen bürgerlichen Schwachsinn, bei dem sich seine Männer aus diplomatischen Gründen mit zusammengekniffenen Arschbacken die Beine in den Bauch stehen mussten. Diplomatie? Die römischen Vigiles gaben sich mit solcher Etikette nicht ab.
    Eine Gruppe Einheimischer war von unserer Bande sichtlich unbeeindruckt. Zusammengepfercht hinter einer provisorischen Barriere, jubelten diese Leute einer örtlichen Mannschaft zu. Ein großes, hervorragend organisiertes Kontingent der Bauhandwerkerkorporation kam heranstolziert und bereitete den neuen Vigiles ein Willkommen.
    Diese Männer waren gut. Das wussten sie auch. Heute hatten sie ihre Besten eingesetzt und marschierten so zackig, als nähme der Kaiser die Parade ab. Ihre Vorführung war einwandfrei und akkurat. Sie konnten marschieren und salutieren – und salutieren, während sie marschierten. Sie blieben in der korrekten Entfernung voneinander, als wäre die mit einem Offiziersstöckchen abgemessen worden. Ihre Reihen waren gerade. Ihre Doppel- und Dreierreihen bildeten ein Quadrat. Ihre Kehrtwendungen waren bis aufs i-Tüpfelchen perfekt. Sie schwenkten und wendeten und blieben auf der Stelle stehen, als wäre Paradedrill ein großer Spaß. (Für jeden mit echter Militärerfahrung war das Blasphemie.)
    Die Spielzeugsoldaten trugen alle Armeeuniformen in knallbunten Farben, mit kürzeren Tuniken als den normalen. Verblüffende Epauletten polsterten die sowieso schon breiten Schultern ihrer sogenannten Offiziere aus. Jeder einzelne Mann trug ein sehr sauberes Seil und einen glänzenden Wurfhaken. Ich fand ihre Ausrüstung zum Brüllen, aber das Stampfen der vielen Stiefel ließ den Boden erzittern. Es war unheimlich, und so war es wohl auch gedacht.
    Von einem Zuschauer erfuhr ich, dass die Mitglieder anderer Korporationen stets als Pöbel bekannt waren, aber die Bauhandwerker nannten sich selbst »gestiefelte Mannschaften«. Sie hatten sechzehn Trupps. Jeder Trupp bestand aus zweiundzwanzig schweren Männern, angeführt von einem Dekurio. Die Dekurionen hofften alle darauf, Präsident zu werden. Die Korporation hatte stets nicht nur einen, sondern drei für fünf Jahre eingesetzte Präsidenten. Sie besaß auch einen zahmen Stadtrat. Angeblich ernannt von der Stadtregierung »wegen der extremen

Weitere Kostenlose Bücher