Das Geheimnis des Scriptors
wahrzunehmen gedachte – schienen austauschbar. Diese Kaschemmen rühmten sich damit, hervorragende Fischgerichte zu servieren, was bedeutete, dass sie einem zu überteuerten Preisen eine labbrige Schüssel Suppe mit einer Muschelschale drin hinknallten, ein sehr kleines Stück altbackenes Brot und einen so sauren Wein, dass einem die gesamten Zehen abfallen würden, wenn man ihn auf die Hühneraugen strich.
Ich wandte mich zuerst der Laube der Liebesgöttin zu, aus Prinzip. Angesichts des Namens war ich nicht erstaunt, eine bleiche Schankkellnerin mit argwöhnischem Blick vorzufinden, deren Pflichten wohl auch einschlossen, mit Kunden, die zusätzliche Wünsche hatten, die Hintertreppe hinaufzugehen.
»Etwas zu essen, Herr?«
Nein danke. Ich war inzwischen erwachsen. Ich wusste, was passierte, wenn ich in einem Saftladen wie diesem aß. Mir fehlte die Zeit, krank zu werden. »Ich suche nach dem Illyrier.«
»Ist nicht da. Verschwinden Sie.«
»War er jemals hier?«
»Wenn Sie das sagen. Jeder scheint das zu glauben.«
»Wer ist jeder?«
»Ein Blödmann von den Vigiles.« Brunnus. »Haben Sie nicht gehört? Verschwinden Sie!«
Brunnus hatte es bestens geschafft, mir alles zu vermasseln. Und als ich fluchend die Venus verließ, was drang da anderes an mein Ohr als seine Stimme.
Ich duckte und versteckte mich. Mir wurde klar, was passiert war. Heute mussten die Iden des August sein. Die Vierte Kohorte war eingetroffen, um ihren Posten in Ostia zu übernehmen, und ihre Vexillation machte gerade mit der abrückenden Sechsten, angeführt von Brunnus, ihren traditionellen Einführungsrundgang. Das heißt, ihnen wurden die gewaltigen Getreidespeicher gezeigt, die sie bewachen sollten – als Vorspiel für das Ausprobieren der örtlichen Tavernen.
Die Vierte war schon früher in Ostia gewesen. Sie musste sich an den Ort von vor zwei oder drei Jahren erinnern, obwohl man gerechtigkeitshalber hinzufügen muss, dass bei der sechsjährigen Dienstzeit der Vigiles einige aus der jetzigen Abordnung zum ersten Mal hier sein könnten. Die Speicheranlagen standen noch immer am selben Platz. Aber einige der Tavernen könnten den Besitzer oder den Weinlieferanten gewechselt haben, und daher war es in alten Stammlokalen vielleicht nicht mehr wie früher. So was musste natürlich sofort ausgekundschaftet werden.
Bevor sie mich entdecken konnten, tauchte ich in der Muschel unter. Wenige Gäste machten sich die Mühe, von den Tischen draußen hereinzukommen. Hinten konnte sich eine Latrine befinden, aber die meisten Männer gingen ans Ufer und pissten in den Fluss. Ich sah, wie ein Gast genau das tat.
Zuerst dachten der Wirt und die Bedienungen, ich sei hier, um mich zu beschweren. Nachdem ich sie beruhigt hatte, wurde ich als Novität behandelt. Vorgewarnt aus der Venus, klagte ich hier nebenan gleich über Brunnus. Das wirkte. Bald wurde mir erzählt, dass der Illyrier gelegentlich zu geschäftlichen Zwecken vorbeikomme. Natürlich behaupteten sie, keine Ahnung zu haben, welchen Geschäften er nachging. Bei vielen Gewerben scheint es nötig, dass sich der Betreiber mit Leuten in Tavernen trifft, oder zumindest wollen einem das viele Betreiber weismachen – Verlagswesen, Besitz von Rennpferden, Zuhälterei, Hehlerei …
Der Illyrier kannte die Spielregeln. Er gab den Bedienungen Trinkgeld im Voraus, damit sie ihn demjenigen zeigten, der nach ihm fragte. Er ließ bei der Bezahlung ein weiteres Trinkgeld zurück. Während das hieß, er konnte davon ausgehen, hier immer willkommen zu sein, bedeutete dieses großzügige Verhalten auch, dass sich die Bedienungen deutlich an ihn erinnern würden.
»Das klingt so, als wüsste er sich zu benehmen. Aber mir wurde gesagt, er wirke ziemlich unheimlich.«
Mein Informant, ein pickliger Junge in einer dreckigen Tunika, lachte. »Mir macht der keine Angst!«
»Du meinst, er ist nicht so grimmig, wie er zu sein vorgibt?«
»Nein, ich meine, er malt sich die Augen an und trägt dämliche Pantoffeln.« Nach einem Leben unerwarteter Antworten kam diese als echte Überraschung. »Der Illyrier?« Der Kellner fand meine Bemerkung zum Totlachen. »Der ist so grimmig wie ein nasser Schwamm. Ist bloß eine schäbige alte Schwuchtel.«
Zwei Vigiles schauten zur Tür herein. Ich betrachtete es als mein Stichwort, mich zu verdrücken.
Ich hatte keine Lust, dort herumzulungern, während die Mitglieder der Vierten Kohorte überall rumhüpften wie Flöhe auf einem räudigen Hund. Aber der
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