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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
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trösten.
    Doch Helena hob abwehrend die Hände und er verharrte auf halbem Wege. »Wenn du mich in den Arm nimmst, kann ich gar nicht wieder aufhören zu weinen. Aber ich muss mich zusammenreißen, damit hier nicht alles zusammenbricht.« Sie deutete vage auf das Zimmer und ihren Mann, und Nik verstand, was sie meinte: Seine Mutter hatte immer für ein gastliches Haus gesorgt, den Haushalt geführt und sich um alles gekümmert. Doch nun musste sie sich mit den Büchern beschäftigen und mit Kaufleuten und Seefahrern verhandeln. Nik war nicht lange genug in der Handelsschule gewesen, um ihr dabei eine große Hilfe zu sein. Sie erlaubte es sich nicht, unter ihrer Trauer zusammenzubrechen, und er musste ihr helfen. Er sah in ihr blasses Gesicht und beobachtete die Tränen, die über ihre Wangen liefen.
    »Geh in dein Zimmer, Nicolaas. Ich ertrage es nicht, wenn du dich nachts in der Stadt herumtreibst und mich in Angst und Schrecken versetzt.« Sie straffte die Schultern. »Morgen wird sich dein Leben ändern. Es wird Zeit für dich, erwachsen zu werden.«
    Nik schluckte. Er hatte die Schule verlassen, um seiner Mutter bei den Geschäften zu helfen. Was konnte als Nächstes geschehen, wenn sie ihn nicht zurück auf die Handelsschule lassen wollte?
    Dann wandte sich Helena an Benthe. »Du hast kein Recht, dich in der Stadt herumzutreiben und deiner Mutter Kummer zu machen. Wir werden eine Aufgabe für dich finden und du wirst das Haus verlassen. Deine Mutter hat dich lange genug verwöhnt.«
    Nik wollte seine Freundin verteidigen, doch seine Mutter brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er wusste nicht, was er tun sollte.
    Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf durcheinander. Er wollte seine Mutter trösten und ihr von seinen Nachforschungen erzählen. Aber vielleicht machte er sie nur noch trauriger, wenn er immer wieder von Matthijs und Claas redete? Hilflos drehte er sich um, doch Benthe hatte wortlos das Zimmer verlassen.
    »Du gehst nach London, Nik.« Seine Mutter ließ das Taschentuch in ihrem Kleid verschwinden. »Unser Wollhändler Joseph Chadwick wird dich aufnehmen. Bei ihm bist du in sicheren Händen und du wirst die wichtigsten Händler kennenlernen. Du sollst schließlich eines Tages das Geschäft übernehmen.«
    Nik starrte seine Mutter an. Sie hatte bereits einen Plan gemacht. Dann knarzte der Ledersessel hinter ihm. Sein Vater hatte sich aufgerichtet und sah zwischen seiner Frau und seinem Sohn hin und her.
    »Vater?« Nik blickte ihn überrascht an. Doch sein Vater schwieg, und auch Nik fiel nichts ein, was er seiner Mutter entgegnen konnte.
    »Pack deine Truhe«, forderte seine Mutter ihn auf. »Die Saint George segelt morgen nach London.«
    Nik schleppte sich die Treppen hinauf. Die Wunden an seinen Knien und Händen brannten. Sein ganzer Körper fühlte sich mit einem Mal schwer und erschöpft an. Als er endlich vor seiner Kammer angekommen war, öffnete er die Tür und ließ sich auf das Bett fallen. Von dort konnte er durch das kleine Giebelfenster sehen. Die Mondsichel leuchtete silbern über den Dächern von Amsterdam.
    Nik schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein. Dann stand er auf und kniete sich vor seine Truhe. Er nahm die Bücher heraus, die sein Vater ihm geschenkt hatte. Alle erzählten von Seeleuten, die neue Länder entdeckten und große Abenteuer erlebten. Wie oft hatte er von dem Augenblick geträumt, wenn er sich endlich aufmachen konnte, um wie seine Helden ein Meer zu durchkreuzen. Doch nun kniete er vor seiner Truhe und wollte unbedingt in Amsterdam bleiben.
    Fragen kribbelten durch seinen Körper wie Insekten. Die Worte, die er in dem Kellerversteck belauscht hatte, gingen ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Sobald er die Augen schloss, um seine Gedanken zu ordnen, sah er Geschwüre und Eiterbeulen vor sich, die blassen Gesichter seiner kleinen Brüder und schwarze Leichentücher, auf denen Sterne glitzerten.
    Nik sprang auf die Füße und lief in seinem kleinen Zimmer auf und ab.
    Dann polterte es auf der Treppe und sein Vater trat ins Zimmer.
    »Es tut mir leid«, murmelte er und starrte an Nik vorbei auf einen Flecken an der Wand.
    Nik wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
    »Du solltest auf die Schule gehen. Das wäre gut gewesen, denn aus dir soll ein tüchtiger Kaufmann werden, der Handel in der ganzen Welt treibt und unser Haus in der Prinsengracht mit fremden Gewürzen und fernen Kostbarkeiten füllt. Aber als Matthijs und Claas

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