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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
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Vertrauen wohl nicht gewinnen und musste einen anderen Weg suchen, um etwas über den Glaser zu erfahren. Nik sprang vom Karren und schob die Tücher und den Wasserschlauch beiseite.
    »Ich muss weiter«, sagte er, ohne sie anzusehen.
    Ellie stand plötzlich neben ihm und legte eine Hand auf seine. »Nik? Warum bist du in London?«
    Er sah sie an. Ellie war aufbrausend und geheimnisvoll, aber er würde in London niemanden finden, der den Glaser so gut gekannt hatte wie einer seiner Lehrlinge. Vielleicht konnte sie ihm helfen, den Wunsch seines Vaters zu erfüllen, und ihm damit etwas Lebensmut zurückgeben. Diese Hoffnung konnte Nik nicht aufgeben.
    »Meine Mutter hat mich nach London geschickt, um mich von ein paar Handwerkern fernzuhalten, mit denen ich Streit hatte.« Er merkte, wie er rot wurde, doch er erzählte weiter. »Ich wohne bei dem Wollhändler Joseph Chadwick und soll etwas über seine Geschäfte lernen.« Nik schluckte. »Meine Brüder sind gestorben und mein Vater will eine Kugel mit ihren Gesichtern.« Er spürte, wie seine Ohren heiß wurden, und sah auf den Boden. War er zu weit gegangen? Schließlich hatte er sich einem wildfremden Mädchen anvertraut. Nik bereute es umgehend und hob schon den Kopf, um sich herauszureden. Doch als er in ihr Gesicht sah, verschwanden die Reue und auch der Zweifel.
    In ihrem Blick lag weder Mitleid noch Spott. Ellie nickte und sah ihn verständnisvoll an.
    Sie deutete auf die Tür zum Innenhof und half ihm, den Karren hineinzuschieben. Als die Tür krachend hinter ihnen zufiel, blieb das Geräusch der Stadt dahinter zurück. Die Füße, die durch den Matsch stapften, und die Worte, die die Menschen einander zuwarfen, klangen verhalten wie durch eine dicke Nebelwand.
    Ellie lehnte sich mit dem Rücken an das Haus des Glasers. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich langsam an der Wand hinuntergleiten, bis sie auf dem festgetretenen Sand des Innenhofes saß. Das Dach des Hauses stand weit über die Mauer hinaus und darunter war es trocken. Nik zögerte kurz, doch dann setzte er sich neben sie auf den schmutzigen Boden. Immerhin stank es hier nicht nach dem Abfall und Unrat der engen Gassen in der Nähe des Hafens.
    »Er ist ermordet worden«, flüsterte Ellie, ohne ihn anzusehen.

Nachdem Benthe ihre Sachen unter dem Bett in der Schlafkammer der Mädchen verstaut hatte, begab sie sich zum zweiten Mal in die Werkstatt des Spiegelmachers. Sie trug ein Kleid aus weißem Leinen, das ihre Mutter ihr für die neue Arbeit genäht hatte. Benthe stieg die Treppe nach unten und zog an dem Stoff, der an ihrem Hals kratzte.
    Auf den bunten Steinen am Boden lag weder Staub noch Dreck. Die ganze Werkstatt war sauber und aufgeräumt wie eine gute Stube. Nachdem sie sich in dem großen Raum in Ruhe umgesehen und die unzähligen Geräte und Flaschen in den Regalen bewundert hatte, entdeckte sie den Spiegelmacher im hinteren Teil der Werkstatt. Ihr Meister schloss die Klappe des Ofens und richtete sich auf. Über dem weißen Hemd und der schwarzen Hose trug er einen breiten ledernen Gürtel.
    Benthe atmete leise und hoffte, er würde ihr aufgeregtes Herz nicht schlagen hören.
    »Wir können Hilfe gebrauchen«, sagte der Spiegelmacher und lächelte ihr zu. Seine Stimme klang tief wie das Meer. Mühelos hob er einen gusseisernen Rahmen auf die Werkbank. Für einen alten Mann hatte er erstaunlich viel Kraft.
    Benthe trat zögernd näher und bemerkte ihren Irrtum. Der Spiegelmacher konnte nicht älter als ihre Mutter sein. Gesicht und Hände wiesen keine Spuren eines hohen Alters auf. Sie hatte sich von seinem weißen Haar täuschen lassen.
    »Heute wirst du nur zusehen. Morgen wirst du mir helfen, einen besonderen Spiegel zu erschaffen.« Der Spiegelmacher lachte leise und winkte sie dichter zu sich an die Werkbank.
    »Der Glaser ist ermordet worden?« Nik schluckte. In dieser Stadt starben täglich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen. Trotzdem dachte Nik nicht an Räuber oder Krankheiten, sondern an den Keller eines reichen Handwerkers in Amsterdam.
    »Jemand hat ihm eines Nachts ein Messer in den Rücken gestoßen.« Ellie schluchzte.
    »Woher …«
    »Ich habe es gesehen«, sagte sie und presste die Lippen aufeinander.
    »Du warst dabei?«
    Sie nickte.
    »Hat der Mörder dich gesehen?«
    »Nein. Ich habe auf Conrad gewartet.« Sie zeigte auf das Tor zur Straße.
    »Warum?« Nik konnte sich keinen Grund vorstellen, warum ein Lehrling nachts auf seinen Meister warten sollte,

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