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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
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sich unwohl unter ihrem durchdringenden Blick, doch er wollte keine Angst zeigen. Er drehte sich zum Fenster und schirmte seine Augen mit den Händen ab, um zwischen die Ritzen in das Innere des Hauses zu sehen. Sein Rücken kribbelte, aber er drehte sich nicht zu ihr um. Sie sollte nicht denken, sie könnte ihn nervös machen. Nik atmete tief ein, um sein klopfendes Herz zu beruhigen, und wartete.
    Sie trat neben ihn. »Warum kommst du jeden Tag?«
    »Ich suche den Glaser, der besondere Kugeln herstellen kann.«
    »Er ist fort und kommt nie wieder«, flüsterte sie.
    Nik drehte sich zu ihr um. Sie sah traurig und unendlich erschöpft aus. Für einen winzigen Augenblick wich die Kälte aus ihrem Gesicht.
    »Vielleicht kommt er doch …«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Warum bist du so sicher?«
    »Ich weiß es eben.«
    »Kanntest du ihn?«
    Sie nickte.
    »Bist du …«
    Sie fiel ihm ins Wort. »Warum suchst du ihn so hartnäckig? Wer bist du?«
    »Ich bin Nik. Und du?«
    »Ellie«, sagte sie. Dann drehte sie sich um und verschwand in einer schmalen Gasse.
    Nik lächelte. Sie war neugierig und sie würde wiederkommen – da war er sich ganz sicher.
    Es dauerte drei Tage, bis er Ellie wieder traf. Nik hockte auf seinem Karren und genoss die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke schienen. Sie hatten noch nicht genug Kraft, um die Spuren des Winters auf den Straßen zu trocknen, doch sie wärmten sein Gesicht.
    Ellie tauchte im Schatten einer dunklen Gasse auf und kam auf ihn zu. Er nickte ihr zu, zog ein Tuch unter den Wollsäcken hervor, in das er am Morgen Schinken und Brot eingewickelt hatte, und nahm mit gesenktem Kopf einen kleinen Bissen von beidem. Dann klopfte er neben sich auf das Holz und sah sie an. Ihr Gesicht verriet ihm, wie sehr sie mit sich selbst rang.
    Nik konnte nicht anders, als ihren Stolz und ihre Sturheit zu bewundern. »Ich tue dir nichts«, sagte er und klopfte noch einmal auf das Holz neben sich.
    Sie schnaufte verächtlich. »Ich habe keine Angst.«
    Er lachte. »Niemand, der Verstand hat, würde es wagen, dir etwas anzutun.«
    Sie grinste und setzte sich neben ihn. Er deutete einladend auf das Essen zwischen ihnen.
    Wieder zögerte sie, doch dann griff sie zu. Sie konnte nicht verbergen, wie ausgehungert sie war. Er gab ihr seinen Lederschlauch und sie trank von dem frischen Wasser.
    »Was suchst du hier?«, fragte Elli schließlich.
    »Ich suche wirklich den Glaser, der hier gelebt hat«, beteuerte er.
    »Warum? Es gibt fünf andere Glaser in der Londoner Zunft. Geh zu einem anderen. Dieser kommt nicht zurück.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, die haben nicht das, was ich suche.«
    »Suchst du mich?«, fragte sie misstrauisch und griff an ihre Taille. »Haben sie dich geschickt?«
    »Wer sollte mich denn geschickt haben?«
    Sie saß dicht neben ihm, und während sie ihn betrachtete und abwog, ob sie ihm glauben konnte, musterte Nik die winzigen Narben, die wie Sommersprossen auf ihrem Gesicht verstreut waren. Ihr rotes Haar hing filzig in Strähnen herab und ihre Kleidung war löchrig und viel zu dünn für den kalten Frühling in London. Ihr fehlten jedoch keine Zähne. Ellie konnte noch nicht allzu lange auf der Straße leben.
    »Warst du einer seiner Lehrlinge?«
    Sie nickte.
    »Dann kanntest du ihn gut«, vermutete er. »Weißt du, wann er verschwunden ist?«
    Sie antwortete nicht. Stattdessen rückte sie etwas weiter von ihm ab und starrte mit zusammengekniffenen Lippen auf ihre schmutzigen Füße.
    Nik wusste nicht, was er tun konnte, damit er ihr Vertrauen gewann. Sie musste etwas über den Glaser wissen und konnte ihm vielleicht sagen, wo er hingegangen war. Nik legte unwillkürlich die Finger auf die Wange, die sie ihm bei ihrer Begegnung auf der Straße zerkratzt hatte.
    Erstaunlicherweise berührte Ellie diese Geste. Sie drehte sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht.
    »Das tut mir leid«, sagte sie und streckte die Hand aus.
    Für einen Augenblick dachte er, sie wolle über seine Wange streicheln. Doch bevor sie ihn berührte, zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt.
    »Niemand mag Diebe«, stellte Ellie fest. »Warum hast du mir geholfen?«
    Nik zuckte mit den Schultern. »Du sahst nicht so gefährlich aus wie die Diebe, die sonst die Straße entlangrennen.«
    Er hatte den Satz kaum ausgesprochen, da hatte Ellie das Messer aus ihrem Hemd gezogen und neben seiner Hand in den Karren gerammt. Nik sog scharf die Luft ein. Er würde ihr

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