Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Meister sicher nicht aus Neugierde vor die Tür treten. Außer Ellie kannte er allerdings in London niemanden, den er um Hilfe bitten konnte. Er wagte nicht, jemandem von dem Wunsch seines Vaters zu erzählen. Es war in London noch gefährlicher als in Amsterdam, mit unheimlichen Dingen in Zusammenhang gebracht zu werden.
Es gab nur eine Möglichkeit, mit Harvey direkt in Kontakt zu kommen: Er brauchte eine Menge Geld. Wenn er dem Lehrling acht Schilling gab, konnte er den Meister sprechen. Nik sah an seinen geflickten Sachen herunter. Niemand würde ihm acht Schilling geben, zumal er befürchten musste, der Meister könnte sie behalten.
Nik stützte den Kopf in die Hände und fuhr mit dem Finger über die Wange, die ihm von Ellie zerkratzt worden war. Nur eine feine rote Linie kündete von der Verletzung, obwohl er mit einer dicken entzündeten Wulst gerechnet hatte. Olivia hatte wahrlich ein kleines Wunder vollbracht, obwohl sie keine offizielle Ausbildung bekommen hatte. Manchmal musste man ungewöhnliche Wege gehen, um das Richtige zu tun. Nik stand vorsichtig auf. Er wusste, wer ihm weiterhelfen konnte. Schließlich kannte er eine Diebin.
In Amsterdam stand die Sonne hoch über den Dächern, als Luuk und seine Freunde vor der Schenke Bij Monkelbaens Toorn standen und ihre Bierkrüge aneinanderstießen. Sie hatten Mittag gegessen und genossen ihr Bier in der Sonne, bevor sie zurück auf die Werft mussten.
Luuk wog seinen Geldbeutel in der Hand und die anderen lachten.
»Wollen wir uns heute Abend noch einen schnappen?«, rief Thijs.
»Scht!« Luuk hieb ihm den Ellenbogen in die Rippen. Dunkles Bier schwappte über ihre Stiefel. Thijs fluchte.
Luuk sah über seine Schultern. Niemand schien auf die Jungen zu achten. Er stellte den Krug ab. Ihm war die Lust auf den malzigen Trunk vergangen. Zum Essen schenkten sie in Monkelbaens Toorn stark verdünntes Bier aus und trotzdem wurden die anderen stets übermütig und unvorsichtig, wenn sie sich daran gelabt hatten.
Luuk schüttelte seine Stiefel, auf denen sich kleine Bierlachen gebildet hatten. Sein Geldbeutel schlug unangenehm schwer gegen seinen Oberschenkel.
Dann kam der kleine Jean um die Ecke und schlenderte pfeifend an ihnen vorbei. Sein Vater hatte mit anderen reichen Kaufmännern die Compagnie gegründet und unzählige Schiffe bauen lassen. Luuk trat dem Jungen in den Weg und verschränkte die Arme vor der Brust.
Jean schluckte und drehte den Kopf hektisch nach links und rechts. Die Erwachsenen, die auf den Straßen unterwegs waren, scherten sich nicht um sie.
Thijs und Jost ließen ihre Krüge auf ein großes Eichenfass fallen, das vor der Schenke stand. Sie bauten sich hinter Jean auf und versperrten ihm den Fluchtweg. Sie waren alle einen Kopf größer als Jean, dessen schmächtige Arme nervös an seinem Körper hin und her schwangen.
»Gib mir deine Hand«, forderte Luuk den Jungen auf.
»Was?« Jean starrte ihn mit offenem Mund an.
Luuk hätte ihn für seinen dümmlichen Gesichtsausdruck am liebsten geschüttelt. Er hatte nicht viel Geduld mit Angsthasen und Feiglingen. Da war ihm ein Gegner wie Nik lieber. Der beschimpfte ihn wenigstens, bevor er davonlief, und hatte ihn auch noch nie unterwürfig oder furchtsam angesehen. Luuk vermisste die Streitereien mit Nik fast ein bisschen, seit seine Eltern ihn nach London geschickt hatten.
Hoffentlich war Heinrich Sehfeld ein geduldiger Mann. Dann konnte er wenigstens seinen Geldbeutel noch füllen, bis Nik wieder nach Amsterdam zurückkam.
Jean zitterte am ganzen Leib, als Thijs und Jost ihn an den Armen festhielten. Luuk griff in seine Tasche und zog ein Tuch heraus, das um ein Stück Glas gewickelt war. Ohne ein weiteres Wort nahm er Jeans Hand und schnitt ihm mit der Scherbe in die Handfläche. Stumme Tränen kullerten dem Jungen aus weit aufgerissenen Augen über die Wangen.
Luuk ließ ihn los, wickelte die Scherbe sorgfältig in das Tuch und verstaute es in seiner Tasche. Gerade hatte er dreißig Kreuzer verdient. Am Abend würde er Heinrich die Scherbe mit dem Blut bringen und seinen Lohn erhalten.
Sie ließen Jean stehen und gingen zur Werft zurück. Jost und Thijs lachten über das fassungslose Gesicht des Jungen, aber Luuk stimmte nicht mit ein. Ein schaler Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, der nicht von dem Bier in Monkelbaens Toorn stammte.
Ellie schüttelte den Kopf.
Nik sprang auf. Wie hundert Nadeln stach es in seine Waden. Drei Stunden hatte er im Hof hinter der
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