Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Glaserwerkstatt gesessen und auf Ellie gewartet. Er stützte sich an der Hauswand ab und stampfte mit den Füßen auf den sandigen Boden, bis das Gefühl in die Beine zurückkehrte.
Ellie trat einen Schritt auf ihn zu. Sie sah ihm in die Augen. »Warum?«, wollte sie wissen. »Nik, warum fragst du mich das?«
»Weil du eine Diebin bist.« Es kostete ihn Überwindung, so dicht vor ihr stehen zu bleiben. Sie musste doch wissen, wie er an acht Schilling kam, und er begriff nicht, warum sie es ihm verschwieg.
Ellie trat einen Schritt zurück. »Ich hatte viele Wochen lang nur altes Brot gegessen und mir taten alle Knochen weh. Auf dem Markt habe ich einen Apfel gestohlen und ein Stück Käse aus dem Korb einer Magd. Macht mich das zu einer Diebin?«
Ihr Blick verfinsterte sich, als sie sein Zögern bemerkte. Doch in seinen Augen war sie eine Diebin, denn sie hatte gestohlen. Nik überlegte. Er brauchte ihre Hilfe.
»Ich muss acht Schilling besorgen und werde sie später zurückgeben.« Er spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Er wusste keinesfalls, ob er das Geld von Harvey zurückbekommen würde. Vielleicht musste er es demjenigen schuldig bleiben, von dem er es genommen hatte.
Sie kniff die Augen zusammen. »Du kannst nicht stehlen.«
Nik stemmte die Hände auf die Hüften. Ihr ruhiger Ton reizte ihn. Sie wusste heute alles besser.
»Was meinst du damit?«, fragte er.
»Du kennst keinen Hunger und keine Verzweiflung«, erklärte sie.
Nik starrte sie mit offenem Mund an. Er kannte rationierte Portionen auf See und ungenießbares Essen, aber nicht die Angst zu verhungern. Aber das konnte Ellie ihm nicht zum Vorwurf machen. Schließlich kannte er Trauer und Verzweiflung genau wie sie.
Enttäuschung legte sich auf ihn wie dicker Londoner Nebel. Endlich hatte er eine Möglichkeit gefunden, bei seiner Suche voranzukommen. Doch Ellie hatte ihm seinen Plan zerstört und ihm die Hoffnung wieder genommen.
Er seufzte und ließ sich an der Mauer hinter ihm heruntergleiten, bis er auf dem sandigen Boden saß.
Er starrte von dem kleinen Innenhof auf die Werkstatt.
Alexej hatte ihm geraten, zu den Dieben zu gehen. Sie trafen sich in der Kathedrale. Er konnte dort hingehen und versuchen, zu ihnen Kontakt aufzunehmen. Aber das war nicht ungefährlich. Schließlich kannte er sich in ihren Kreisen nicht aus und konnte die Gefahr, die eine Verbindung mit ihnen brachte, nicht abschätzen. Nik fuhr sich verzweifelt mit den Händen durch die krausen Haare.
»Sag mir, warum du acht Schilling brauchst«, bat Ellie und setzte sich neben ihn.
Nik sah sie an. Ihr Ärger war verflogen und die Neugierde hatte wieder die Oberhand gewonnen.
»Es gibt noch einen zweiten Glaser in London, der Kugeln herstellen kann. Er ist mit Conrad und den anderen im letzten Sommer verschwunden.«
»Ist er auch ermordet worden?«
Nik hob ratlos die Schultern. »Vielleicht ist er mit den anderen nach Amsterdam gefahren. Ich muss seinen Namen herausfinden. « Er sah sie an. »Conrad muss den anderen Glaser gekannt haben.«
Ellie nickte. »Er war in der Zunft und vielleicht auch in der geheimen Gilde.«
»Hat er irgendetwas über die Gilde erzählt?«
Ellie überlegte lange. Nik malte mit dem Finger Buchstaben und Zahlen in den Sand, um sich die Zeit zu vertreiben. Aber seine Geduld wurde nicht belohnt. Ellie erinnerte sich nicht an die Namen von anderen Handwerkern und Künstlern, mit denen sich ihr Meister gelegentlich getroffen hatte.
»In der Werkstatt gingen jeden Tag viele Menschen ein und aus. Manche waren Freunde, andere Kunden. Vielleicht war auch ein Glaser darunter, ich weiß es nicht.«
Nik war nicht sicher, ob er ihr glauben sollte. Sie mied seinen Blick und starrte auf die Zahlen, die er in den Sand gemalt hatte. Nik sah zum Fenster der Werkstatt, das zum Innenhof zeigte. Die Dämmerung hatte sich über die Stadt gesenkt und der Mond schimmerte silbern am überraschend klaren Himmel. In seinem Licht erschien das mit Brettern vernagelte Fenster wie ein dunkles Loch an der grauen Wand des Hauses.
»Warst du noch einmal dort, nachdem er … gestorben ist?«
Ellie schüttelte den Kopf. »Ich habe mich versteckt und die Werkstatt aus der Ferne beobachtet, um zu sehen, ob jemand von der Gilde kommt und nach mir sucht – und irgendwann bist du aufgetaucht.«
»Vielleicht hat Conrad irgendetwas hinterlassen, was uns zu dem Glaser führen könnte.«
Sie schüttelte den Kopf.
Nik ballte die Fäuste. »Wie kannst du so sicher
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