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Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette Lühmann
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hatten.«
    »Ja.«
    »Wie?«
    »Ich habe mich an ihn erinnert.«
    »Einfach so? Das glaube ich dir nicht. Du verbirgst etwas vor mir.«
    Sie seufzte und fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen.
    »Wenn ich es dir sage, wirst du mich verabscheuen.«
    Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, und betrachtete stumm ihr Gesicht. Natürlich wollte er die Wahrheit erfahren. Was konnte sie Schlimmes getan haben? Er beugte sich zum Fenster, öffnete den Riegel und schob die Scheibe nach unten. Warme salzige Luft strömte in die enge Kabine. Nik atmete tief ein. »Ich verabscheue dich nicht. Das verspreche ich dir. Ich möchte dir vertrauen. Bitte sag mir die Wahrheit!«
    Er drehte den Kopf zu ihr. Sie saß neben ihm und trug wie er seit Tagen die gleichen schmutzigen, zerrissenen Kleider und ihr langes rotes Haar hing in fettigen Strähnen in ihr Gesicht. Trotzdem war sie wunderschön. Aus ihren großen Augen liefen zwei Tränen über ihre Wangen.
    Nik hob die Hand, um Ellie zu berühren. Doch dann begann sie zu sprechen und er ließ den Arm wieder sinken.
    »Ich bin dir gefolgt und habe die Papiere aus deiner Truhe gestohlen, die du bei Conrad gefunden hast.«
    »Was?« Er sprang auf. »Du warst in meiner Kammer?«
    Sie nickte und stand langsam auf, wobei sie sich an der Wand abstützte.
    »Du bist eingebrochen und hast etwas mitgenommen!«, sagte er entsetzt.
    »Scht«, bat Ellie ihn und legte den Finger auf die Lippen. »Sie dürfen uns nicht hören.«
    »Warum hast du das getan?« Mit beiden Händen fuhr er sich durch das krause Haar.
    Sie reckte das Kinn vor und sah ihn trotzig an. »Du hast es vor mir versteckt«, warf sie ihm vor.
    »Nein, ich wollte es dir zeigen.« Nik verstummte, weil er Schritte auf dem Gang hörte, und wartete, bis es draußen wieder ruhig geworden war. Dann legte er sein Ohr an die Tür.
    Auf dem Deck läutete die Glocke zum Wachwechsel.
    Sehnsüchtig dachte Nik an die Fahrt nach London zurück. Jeden Tag hatte er etwas Neues auf der Saint George gelernt und Wind und See in vollen Zügen genossen. Doch heute saß er mit Ellie unter Deck fest. Er hatte in London manche Nacht davon geträumt, sie mit nach Amsterdam zu nehmen, aber in seiner Vorstellung war es ein Abenteuer gewesen.
    Er drehte sich zu Ellie um, weil er sich entschuldigen wollte. Inzwischen saß sie wieder mit dem Rücken an der Wand und hatte die Augen geschlossen.
    »Hör mal, ich wollte dir nichts verheimlichen. Es tut mir leid. Wollen wir uns die Papiere gemeinsam ansehen? Vielleicht finden wir noch etwas?«
    Ellie antwortete nicht. Sie war wieder eingeschlafen.
    »Endlich«, sagte Ellie und fegte die Brotkrumen von ihrem Schoß. An den ersten Tagen hatte das Mädchen bei dem Gedanken an Essen angeekelt eine Hand vor den Mund gehalten, denn die starken Schmerzen waren ihr auf den Magen geschlagen. Heute hatte sie wieder etwas Farbe im Gesicht und war nicht mehr so beunruhigend bleich. Das Brot schien ihre Lebensgeister zu wecken. Sie sah Nik an und legte die Hände auf ihre Knie.
    »Ich möchte mich nicht mehr verstecken. Ich will sie finden und vernichten.«
    Nik starrte sie an. »Du willst sie vernichten?«
    »Ich habe gesehen, wie sie jemanden ermordet haben, der mir sehr viel bedeutet hat.«
    »Aber die anderen wissen nichts davon. Nicht einmal Gustav weiß es. Heinrich hat es nicht zugegeben.«
    Sie schwieg einen Augenblick und sah durch das Fenster zum blauen Himmel hinauf. »Sie haben Unglück gebracht und müssen sterben.«
    Nik sprang auf. »Vielleicht haben sie Unglück gebracht, aber vielleicht auch nicht. Sie wissen es nicht einmal selbst.«
    Sie erhob sich langsam und stemmte die Hände in die Seiten.
    »Ich weiß es aber. Denn ich habe gesehen, wie die anderen Lehrlinge gestorben sind.«
    »Meine Brüder sind auch gestorben, und ich möchte diejenigen finden, die dafür verantwortlich sind, aber …«
    »Dann werden wir sie gemeinsam finden«, warf Ellie ein. Ihre Wangen färbten sich rot.
    Nik trat einen Schritt zurück. »Aber ich will niemanden vernichten. Wenn ich einen Beweis für Flamberts oder Heinrichs Schuld finde, werde ich sie dem Stadtrat melden.« Trotz allem, was er über die Gilde bislang herausgefunden hatte, konnte er sich nicht vorstellen, ihnen etwas anzutun.
    Ellie nickte langsam. »Davon rede ich doch.«
    Doch Nik glaubte ihr nicht. Selbst das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, täuschte nicht über ihren Zorn hinweg.

Nachdem sie Antwerpen wieder verlassen hatten, konnte Nik nicht mehr

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