Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
erforderte.
Falls man sich unerwartet mit den Schiffen der Gegner konfrontiert sah, kam es darauf an, als Erster zu feuern. Was nicht nur Schnelligkeit, sondern auch Zielsicherheit erforderte. Und Gottes Segen. Sicher ein Grund, warum sich alle kämpfenden Brüder, kaum dass sie Kurs aufs offene Meer genommen hatten, vor ihrem Kommandanten am Heck des Schiffes niederknieten und mit einem gemeinsamen Ave-Maria für eine heile Rückkehr die Unterstützung der Heiligen Jungfrau erflehten.
Auch Gero hielt sein Haupt geneigt und konzentrierte sich auf das Bildnis einer huldvoll dreinblickenden Muttergottes in blauem Mantel. Allerdings mischte sich in dieses Bildnis immer wieder das Antlitz von Lissy, weil sie mit ihrem langen rötlich braunen Haar und den sanften Augen der Heiligen Jungfrau so ähnlich gewesen war.
„Bitte Gott den Herrn“, betete er stumm, „er möge mich diesmal mit meiner verstorbenen Frau im Paradies vereinen“, flehte er still für sich und fragte sich zugleich, ob es eine Sünde war, auf diese Weise den Tod herbeizusehnen. Schließlich hatte er sich vor dem Allmächtigen den Templern verpflichtet, und dem stand der Wunsch zu sterben eindeutig entgegen. Also warum sollte der liebe Gott ihn ausgerechnet heute Nacht erhören?
Neben ihm knieten Brian und Nicolas, die Gottvater bisher anscheinend auch nicht bei sich haben wollte. Was zumindest bei Nicolas einem Wunder gleichkam, denn kaum jemand stellte sich so unglaublich dumm im Kampf an wie der genuesische Templerbruder. Er konnte kaum ein Schwert halten, was möglicherweise seiner zarten Gestalt geschuldet war. Aber in Geros Augen war es eher eine Sache der Einstellung. Nicolas war nicht fähig, auf einen lebendigen Leib einzustechen. Und da machte es keine Ausnahme, ob es sich um ein Schwein oder einen Menschen handelte. Lediglich gegen eine Strohpuppe konnte er antreten. Natürlich hatten es Gero und seine Kameraden einige Male mit ihm geübt, indem sie ihm beim Schlachter einen bereits getöteten Kadaver besorgt hatten. Aber selbst damit klappte es nicht. Wenn Nicolas denn einmal zustieß, schloss er die Augen, um nicht sehen zu müssen, was er da tat. Gero war es immer noch schleierhaft, wie Odo des Saint-Jacques ihn zur Aufnahme als Tempelritter hatte zulassen können. Vielleicht hatte irgendjemand dafür bezahlt. Obwohl so etwas den Statuten der Templer nach streng verboten war. Oder Gott der Herr hatte seine Ausbilder aus irgendeinem Grund mit Blindheit geschlagen, und sei es nur, um ihn, Gero, dazu auszuersehen, Nicolas zu beschützen.
Nachdem d’Arches die kleine Andacht beendet und sämtliche Anwesenden auf ihre Plätze befohlen hatte, durfte Gero sich noch einmal davon überzeugen, dass er selbst beinah doppelt so groß und breitschultrig war wie der genuesische Kamerad mit dem Engelsgesicht. Vielleicht nützte ihm diese Erkenntnis etwas, wenn er sich beim nächsten Kampf mit einem Mameluken vor Nicolas warf und an seiner Stelle von einem Pfeil oder einem Schwertstreich getroffen wurde. Dann hätte er Gottes Willen erfüllt und könnte dafür ohne schlechtes Gewissen direkt den Weg ins Paradies antreten. Beim Blick in die angespannten Gesichter seiner Kameraden entfuhr ihm ein leiser Seufzer. Er schien der Einzige zu sein, der sich keine Sorgen um sein eigenes Überleben machte.
Kapitel II
B ei Anbruch der Dunkelheit erreichten sie wie geplant die kleine, versteckte Bucht an der syrischen Küste, die Bartholomäus de Chinsi als zuständiger Ordensmarschall in der Frühbesprechung zur Anlandung bestimmt hatte. Über einen rasch ausgelegten Steg führten die Ritter wie an einer Schnur aufgereiht und bis an die Zähne bewaffnet ihre Pferde an Land. Gefolgt von den Turkopolen, trugen sie über ihren Mänteln die üblichen schwarzen Tarnumhänge, wenn sie des Nachts in Feindesland unterwegs waren. Ziel war es, zu nachtschlafender Zeit ein Lager der Mameluken zu überfallen, die nach den Informationen eines zuverlässigen Spions zurzeit in nordöstlicher Richtung unterhalb der zerstörten Festung Marqab kampierten. Eine ehemalige Templerfestung, die das darunterliegende Tal auf neunhundert Fuß überragte.
Hugo d’Empures, der die Truppe der Ordensleute anführte, lenkte sie mit sicherer Hand über einen felsigen Pfad entlang der Küste bis zur ehemaligen Burganlage des Templerordens, die inzwischen von den Mameluken geschleift worden war, den Heiden im Allgemeinen aber immer noch als strategischer Versammlungsort diente.
Nach
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