Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
konnte. Noch bevor die anderen mit ihren Gefangenen aus dem Wald von Clairvaux zurückgekehrt waren, war Gero mit Johan im Eiltempo zur Komturei geritten, um seinem Komtur Meldung zu machen, damit dieser gleich den heilkundigen Eremiten rufen ließ, der sich in der Behandlung schwerer Verwundungen besser auskannte als jeder Medikus.
»Es heißt, der Mann sei ein ehemaliger Templerveteran, der ebenfalls aus Akko entkommen konnte«, wusste Arnaud später im Dormitorium hinter vorgehaltener Hand über den Eremiten zu berichten. »Sie sagen, er besäße magische Kräfte«, fügte er mit einer hochgezogenen Braue hinzu. Tatsache war lediglich, dass der weißbärtige, gebückte Kauz Geros Idee, Johans Kopf in eiskaltes Wasser zu tauchen, als das einzig Richtige befand.
»Nicht dumm, nicht dumm«, lobte er Gero krächzend, als er an Johans Bett herantrat und im Beisein seiner Kameraden den Verband abnahm. »Ihr habt ihn damit vor bösartigen Vereiterungen bewahrt, die ihn leicht das Leben kosten könnten.«
Johan war immer noch nicht richtig bei sich, weil der Eremit ihm schmerzstillenden Mohnsaft verabreicht hatte, aber er stöhnte leise, als der alte Templer ein wenig unsanft an den verklebten Leinenstreifen zerren musste, um sie von dem wunden Fleisch zu lösen. Danach strich der Alte mit einem sauberen Pinsel eine grünliche Paste auf die offenen Wunden, die ähnlich scheußlich roch wie der Schimmeltrank, den man Gero auf Zypern verabreicht hatte. Der Eremit drückte Johan, um die vorübergehend stärkeren Schmerzen zu lindern, den gleichen Schwamm auf die Nase, den Lissy bei der missglückten Geburt des Kindes erhalten hatte, was in Gero sogleich bittere Erinnerungen hervorrief. Dann legte der Alte einen neuen Verband an, der zuvor in kochendem Wasser gewaschen und über einem offenen Feuer getrocknet worden war. Dies war auch eine der merkwürdigen Begebenheiten, mit denen man Gero und seine Kameraden nach ihrer Aufnahme in den Orden konfrontiert hatte, als man sie oberflächlich in die Heilung von Krankheiten und Wunden eingeweiht hatte. Wozu auch gehörte, dass sie sich stets gründlich die Hände waschen sollten, bevor und nachdem sie eine Wunde berührten. Und nicht zu vergessen, die Einweihung in einen streng geheimen Trunk aus Opium und verschiedenen Pflanzenextrakten, der einen binnen weniger Augenblicke ins Jenseits schicken konnte. Die dazu passenden Phiolen wurden mit einem schwarzen Kreuz am Boden gekennzeichnet und waren Bestandteil einer speziellen Verbandtasche, die sich gewöhnlich im Gepäck des Kommandeur-Leutnants befand. Man benutzte die Flüssigkeit, um einem tödlich getroffenen Bruder ein tagelanges Siechtum zu ersparen, wenn keine Heilung mehr zu erwarten war, oder damit er, falls man ihn im Kampf gegen die Heiden schwer verletzt zurücklassen musste, nicht lebendig in die Hände seiner Feinde fiel. Sämtliche zum Ordensritter geweihten Templer wussten davon, reden durften sie jedoch nicht darüber. In den Augen der Inquisition galt es als Todsünde, einem Christen auf widernatürliche Weise in den Tod zu verhelfen. Aber bei den Templern gab es mehr solcher Geheimnisse, die direkt in die Ketzerei geführt hätten, falls außerhalb der Kapitelversammlungen jemand davon erfuhr. Gero und seine Kameraden hatten sich längst daran gewöhnt, trotzdem blieben viele unbeantwortete Fragen.
»Und jetzt raus hier«, sagte der Eremit zu den umstehenden Brüdern, die alle wie gebannt auf die grässlichen Wunden in Johans Gesicht starrten. »Er benötigt dringend Ruhe!«
Trotz dieser Anweisung hatte Gero es nicht über sich gebracht, Johan völlig sich selbst zu überlassen. Wenigstens einmal am Tag besuchte er ihn, um ihn aufzumuntern, was mindestens so wichtig war wie die Verbände, die der Eremit täglich wechselte.
»Du sollst zu Bruder Henri kommen«, sagte Bernard, einer der Sergeanten, im Vorbeigehen, als Gero wieder einmal auf dem Weg zu Johann war, und fasste ihn am Arm, um ihn aufzuhalten.
»Hat er gesagt, warum?« Gero zog fragend die Stirn kraus.
»Keine Ahnung«, erwiderte Bernard, »aber er hatte einen blondgelockten Jungen bei sich, kaum älter als zehn, den ich noch nie hier gesehen habe. Es hieß, er sei heute Morgen in Begleitung eines Söldners aus den deutschen Landen gekommen.«
Johan muss also noch warten, dachte Gero bei sich und steuerte auf die steile Außentreppe zu, die direkt zur Kammer des Komturs führte.
Doch zuvor musste er noch die Schreibstube von Bruder Claudius
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