Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
Armbrust zurückschossen, hangelten Gero und Francesco sich über die schmale Brüstung und rannten mit halsbrecherischem Mut über die abgebröckelte Kante des Wehrgangs hin zu einer brüchigen Steintreppe, die direkt nach unten führte. Arnaud folgte ihnen, und zu dritt erreichten sie den Hof, wo sie sich mit Schwert und Schild den Weg zum Tor erkämpften.
»Templer!«, brüllte irgendjemand quer über den Hof, und Gero war nicht sicher, ob diese Feststellung seine Gegner anstachelte oder eher verängstigte. Von oben fiel derweil eine der Wachen auf Gero herab und streifte ihn ausgerechnet an der rechten Schulter, die noch immer seine Schwachstelle war, auch wenn die Narbe, die ihn auf immer an die Mameluken erinnern würde, längst als verheilt galt. Ein kurzer Schmerz durchzuckte ihn, doch dann war es wieder vorbei, und Gero widmete sich mit gezogenem Schwert einem weiteren Gegner, den er in einen gnadenlosen Kampf verwickelte. Wenig später lag der Mann besiegt am Boden, und Gero konnte Struan, der sich inzwischen auch freigekämpft hatte, helfen, das Tor zu öffnen.
Die anderen sechs Kameraden hatten nun freien Zugang, und gemeinsam sollten sie keine Schwierigkeiten haben, die verbliebenen Räuber zu überwältigen. Als die anderen Brüder mit gezogenen Schwertern an ihm vorbei in den Hof stürmten, vernahm Gero einen gellenden Schrei, der von außerhalb des Tores kam. Es musste jemand von seinen Leuten sein, denn die Räuber befanden sich, so weit er das beurteilen konnte, ganz gleich, ob tot oder lebendig, noch alle innerhalb der Burgmauern.
Beunruhigt packte er Struan am Arm, der soeben einen der Übeltäter mit einem einzigen Streich erledigt hatte, und machte ihn mit einem Nicken darauf aufmerksam, dass er für einen Moment auf seinen Beistand verzichten musste.
Hastig schnappte sich Gero eine der Fackeln, die vor dem Burgtor in einer eisernen Halterung steckte, und lief in die Nacht.
Bereits nach wenigen Schritten bemerkte er auf der alten Hängebrücke einen sich windenden Leib, der auf den morschen Holzbohlen lag und röchelnde Schmerzenslaute von sich gab. Es war ein Kamerad, und er trug noch seinen Helm. Als Gero näher trat und ihm ins Gesicht leuchtete, sah er, dass offenbar kochend heißes Pech in sein Visier eingedrungen war. Irgendjemand musste es von oben heruntergekippt haben.
An den blaugrünen Augen erkannte er, um wen es sich handelte. »Johan!«, brüllte er. »Bei Gott!« Schon hatte er die Schnallen des Lederriemens gelöst und zog Johan van Elk den Helm vom Schädel. Selbst im Halbschatten bot sich Gero ein grauenhaftes Bild. Die schwarze, zähe Brühe hatte sich tief in die ebenmäßigen Gesichtszüge des jungen Bruders hineingefressen. Gero überlegte nicht lange und zog den vor Schmerz zitternden Johan auf die Füße, nur um ihn anschließend über seine Schulter zu werfen. Dann ergriff er die Fackel und rannte mit dem röchelnden Kameraden hinunter zum Bach, wo er ihn der Länge nach auf den vereisten Boden legte und als Nächstes den brennenden Stecken in den Schnee rammte, damit er etwas sehen konnte. Entschlossen zerschlug er mit seinem Plattenhandschuh die Eisdecke und tauchte das Gesicht des halb ohnmächtigen Bruders mit wilder Entschlossenheit ins gurgelnde Eiswasser.
Nach einer kurzen Weile ließ er ihn Luft holen und zog das hart gewordene Pech, das sich seiner Fließrichtung entsprechend in Johans Wangen, Lippen und Ohren gebrannt hatte, mit Hilfe seines Schnitzmessers und der bloßen Finger aus dem versengten Fleisch heraus. Danach spülte er die übel anzusehenden, blutenden Wunden wieder und wieder mit kaltem, klarem Wasser. Gero wiederholte die Prozedur so lange, bis er das letzte Tröpfchen Pech aus Johans zerstörtem Antlitz entfernt hatte. Der junge Bruder aus Flandern war inzwischen in eine gnädige Ohnmacht gefallen. Nun erst schaute Gero zur Burg, wobei er mit einer gewissen Beruhigung im Herzen feststellen durfte, dass seine verbliebenen Kameraden die überlebenden Räuber und deren Weiber bereits in Fesseln gelegt hatten.
Kapitel VII
D rei Tage später marschierte Gero gleich nach der Frühmesse quer über den Hof der Komturei, weil er Johan im Hospital besuchen wollte. Der weißgekalkte Raum war nicht groß und beherbergte auch nur zehn Betten, aber für Johan war es gut, dass er nicht nach Troyes oder gar nach Paris verlegt werden musste, wo die Templer noch größere Hospitäler besaßen, in denen auch die arme Landbevölkerung behandelt werden
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