Das Geheimnis des toten Fischers
Zentimeter kleiner als jetzt.«
»Wie meinst du das?«
»Falls du es nicht gemerkt haben
solltest — du bist in den letzten Wochen unmöglich gewesen.«
»Ich sage dir doch, daß ich urlaubsreif
bin.«
Wir tranken schweigend aus, dann sagte
Hank: »Ich muß zurück ins Büro.«
Ich stand auf. »Ich komme mit und hole
meine Aktenmappe. Wenn du nichts dagegen hast, gebe ich die Dokumente gleich
morgen früh ab und fahre dann los, ohne noch ins Büro zu kommen.«
Er rutschte vom Barhocker und schaute
mich unbehaglich an.
»Du gibst die Dokumente ab und fährst
gleich los?«
»Ja. Warum nicht?«
Er wartete. »Na schön. Meinetwegen.
Komm jetzt.«
Als wir das im viktorianischen Stil
erbaute Gebäude wieder betraten, wurde mir klar, warum Hank vorhin gezögert
hatte. Greg Marcus saß im Empfangsraum auf der Schreibtischkante und unterhielt
sich mit Ted. Vermutlich waren Hank und Greg zum Abendessen verabredet; die
beiden waren schon befreundet gewesen, bevor ich sie kennengelernt hatte, und
ich konnte nicht erwarten, daß sich das meinetwegen änderte.
Als Greg mich sah, verhärtete sich sein
Gesichtsausdruck für den Bruchteil von Sekunden, dann glätteten sich seine Züge
wieder, und er sagte: »Hallo, Indianermädchen.« Und zu Hank: »Du hast dich
verspätet.«
»Ich bin in einer Minute soweit.« Hank
eilte durch den Gang, ohne mich auch noch eines Blickes zu würdigen.
Ted, Feigling, der er war, stand auf
und ging zur Toilette.
Ich wandte mich an Greg. »Und wie geht
es dir?«
»Okay. Und selbst?«
»Viel zu tun. Ich suche gerade eine
neue Wohnung, hatte aber bisher noch kein Glück.«
»Hank sagte mir, du hast neulich eine Leiche
gefunden, unten bei Port San Marco.«
Warum hatte ihm Hank das berichtet?
»Das stimmt.«
»Wieder mal die alten Tricks, was?«
»Was für Tricks?«
»Ich hoffe nur, deine Kooperation mit
der dortigen Polizei klappt besser als früher mit mir.«
Einen Augenblick lang, als ich ihn so
sitzen sah, gutaussehend in seinem blauen Anzug und der gestreiften Krawatte,
fühlte ich so etwas wie neu erwachende Zuneigung. Aber dann fielen mir alle
Gründe ein, die mich dazu bewogen hatten, mit ihm Schluß zu machen.
»Kooperation beruht auf
Gegenseitigkeit«, entgegnete ich, »wenn sie funktionieren soll.«
Aber so konnte man Greg nicht außer
Gefecht setzen. »Immer noch schnell mit vorwitzigen Antworten, was,
Indianermädchen?«
Ich ging zu meinem Büro. Kein Wunder,
daß ich mit ihm Schluß gemacht hatte. Kein Wunder! Außerdem — welche Frau
konnte einen Mann lieben, der ihr so alberne Spitznamen gab?
Kapitel
12
Am nächsten Nachmittag gegen drei Uhr
war ich wieder in Port San Marco und hatte dasselbe Zimmer im Mission Inn
gemietet. Sobald ich ausgepackt hatte, rief ich Lieutenant Barrow auf der
Polizeistation an. Die Ermittlungen im Mordfall Jane Anthony gingen nur
schleppend voran, erklärte er mir, und die Polizei sei zur Zeit damit
beschäftigt, Janes Freunde, ehemalige Nachbarn und frühere Arbeitgeber zu
verhören. John Cala war freigelassen worden; er behauptete noch immer, nur so
auf den Pier hinausgeschlendert zu sein, und obwohl Barrow ihm noch immer nicht
glaubte, war das Alibi, das ich dem Fischer geliefert hatte, inzwischen überprüft
worden.
»Da stehen wir also im Augenblick«,
schloß Barrow. »Alles andere als ein einfacher Fall.«
»Sie scheinen davon auszugehen, daß der
Täter in Janes Vergangenheit zu suchen sein muß.«
»Es ist nicht unwahrscheinlich. Sie
wurde in Salmon Bay getötet, einem Ort, über den nur wenige außerhalb dieser
Gegend Bescheid wissen.«
»Es wäre doch auch möglich, daß sie
sich dort mit einem Fremden verabredet hat.«
»Möglich durchaus.« Aber er schien
nicht viel von dieser Theorie zu halten, denn er wechselte das Thema. »Heißt
das, Sie sind wieder hier?«
»Ja. Und ich möchte Sie um Erlaubnis
bitten, ein paar Spuren, auf die ich gestoßen bin, nachzugehen.
Selbstverständlich werde ich Ihnen etwaige Ergebnisse sofort mitteilen.«
»Was sind das für Spuren?«
»Nichts Umwerfendes. Ich möchte noch
einmal mit Janes Mutter sprechen, und vielleicht mit John Cala.«
»Es würde mich sehr wundern, wenn Sie
aus denen irgendwas herausbringen würden. Die Leute in diesem verdammten Dorf
sind stumm wie die Fische.«
»Ist mir auch schon aufgefallen. Ich
möchte es trotzdem noch einmal versuchen. Außerdem möchte ich mit den Leuten im
›The Tidepools‹ sprechen. Ich nehme an, Sie haben seinerzeit die
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