Das Geheimnis des toten Fischers
Mrs.
Anthony und John Cala zu sprechen, doch zuvor wollte ich bei der Polizeistation
vorbeischauen und mich erkundigen, was Barrow bei seinem Gespräch mit Keller
herausgefunden hatte. Barrow war nicht da, also hinterließ ich die Nachricht,
ich würde mich wieder melden, und ging dann hinaus zu meinem Wagen.
Ich fuhr nach Norden über die
inzwischen vertraut gewordene Küstenstraße nach Salmon Bay und parkte direkt
vor dem Haus von Sylvia Anthony. Es war verschlossen und dunkel wie beim
letztenmal. Vielleicht war Janes Mutter für eine Weile zu Freunden oder
Verwandten gezogen.
Auf der Veranda von John Calas Haus brannte
Licht. Na schön, dachte ich, dann kann ich wenigstens mit dem Fischer reden.
Doch bevor ich aus dem Wagen steigen konnte, kam Cala aus dem Haus, zog sich im
Gehen einen Anorak an und lief auf einen ziemlich zerbeulten Lieferwagen zu.
Sobald er eingestiegen war, leuchteten die Scheinwerfer auf, und der Motor
wurde angelassen. Ich startete meinen Wagen und folgte, nachdem sich der
Lieferwagen in Bewegung gesetzt hatte.
Cala fuhr mit ziemlicher
Geschwindigkeit über die schlechten Straßen zur Küstenstraße und bog dort in
Richtung Süden ein. Der Lieferwagen hatte ein zerbrochenes Rücklicht, daher war
es nicht schwer, ihn im Auge zu behalten. Sobald wir auf der Hauptstraße waren,
ließ ich einen kleineren Wagen zwischen mir und John Cala einscheren. Dann folgte
ich Cala nach Port San Marco und durch die Touristengegend zu dem weiter unten
liegenden Teil der Stadt, in die Nähe des mit Brettern vernagelten
Vergnügungsparks. Cala ließ den Lieferwagen am Randstein beim öffentlichen
Strand stehen und ging hinaus auf die Mole.
Ich hielt etwas weiter unten an
derselben Straße und beobachtete Cala, der einen Blick auf seine Armbanduhr
warf. Hinter der Mole glänzte der Ozean; die leichte Dünung kräuselte den
Widerschein des Mondes auf der Wasseroberfläche. Cala blieb ein paar Minuten
lang dort stehen, als bewundere er die Szenerie, dann sprang er hinunter auf
den Strand.
Ich schlenderte langsam den Gehsteig
entlang und versuchte, Cala unten am Strand nicht aus den Augen zu verlieren.
Es waren keine anderen Spaziergänger unterwegs, und die Gegend machte jetzt
einen verlassenen, verkommenen Eindruck. Hier schien es sogar kälter zu sein
als in der hellerleuchteten Touristengegend weiter im Norden, und ich mußte
wieder an das bunte Treiben während meiner Kinderzeit denken, bevor der
Vergnügungspark geschlossen worden war.
Cala ging quer über den weiten Strand
in Richtung auf den hohen Plankenzaun zu, der den Park umgab. Am Zaun waren nicht-betreten -Schilder angebracht und
daneben bunte Plakate, auf denen bereits Werbung gemacht wurde für das
zukünftige Zentrum der darstellenden Künste in Port San Marco. Auf der Seeseite
ragte über den Zaun das Gerüst der alten Achterbahn in die Höhe. Cala ging
weiter über den Strand zu der Stelle, wo das ehemalige Vergnügungsgelände auf
Stelzen ruhte. Während ich ihn weiter von der Mole aus beobachtete, duckte sich
Cala unter einem der Pfosten durch und verschwand.
Ich ging über die Mole bis zum Rand des
Parks, dann überquerte ich den Strand, wobei ich mich im Dunkeln hielt. Als ich
die Stelzen erreichte, duckte ich mich wie vorher Cala darunter durch und ging
dann vorsichtig weiter, versuchte, ihn wieder zu entdecken.
Was trieb Cala hier draußen in dem
verlassenen Vergnügungspark? Er hatte sein Haus in Eile verlassen und dann,
nachdem er einen Blick auf die Uhr geworfen hatte, ein paar Minuten lang auf
der Mole gewartet. Also schien er mit jemandem verabredet zu sein. Mit wem? Und
warum ausgerechnet hier?
Aus der Richtung, in der ich Calas
Schritte vernommen hatte, hörte ich jetzt, wie eine Tür zufiel. Cala war also
sicher noch im Park. Ich folgte, meine Schritte wurden vom feuchten Sand
gedämpft, und ich schaute die Treppe hinauf. Die Tür ganz oben hatte zwar ein
Vorhängeschloß, aber das war längst aus der Befestigung gerissen. Vielleicht von
Kindern, die hier spielten und einen idealen Platz zum Verstecken gefunden
hatten. Ich ging die Treppe hinauf und stieß gegen die Tür. Sie ließ sich leise
und ohne Mühe öffnen.
Ich brauchte eine Weile, bis sich meine
Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann sah ich einen breiten Pfad aus
Holzplanken und die Umrisse von verlassenen Jahrmarktsbuden. Es waren nur noch
Überreste, aber die Schilder — die Schilder meiner Jugend — verkündeten noch
immer: zuckerwatte — maisbrot
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