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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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„Sie werden mich also lieben?"
    „Natürlich werde ich das”, meinte sie leichthin.
    Er hob sein Glas und prostete ihr zu. „Dann schätze ich mich als glücklichsten Mann auf Erden."
    Doch sie lächelte nur matt, als sei sie den koketten Schlagabtausch langsam leid.
    Nachdenklich nippte er an seinem Wein. Sah sie der Nacht voller Freude entgegen oder graute ihr davor? Vermutlich Letzteres. Selbst in ihrem Alter — und sie war älter als junge Bräute es gemeinhin waren — dürfte sie wenig darüber wissen, was zwischen Mann und Frau geschah. Das könnte auch erklären, weshalb sie vorhin so blass gewesen war. Er würde heute Abend daran denken müssen, es langsam angehen zu lassen, sich zu zügeln und nichts zu tun, was sie verschrecken oder abstoßen könnte. Ihrer Schlagfertigkeit zum Trotz war sie nach eigenem Bekunden eher zurückhaltend. Vielleicht sollte er gar erwägen, den Vollzug ein paar Tage aufzuschieben, bis sie sich ein wenig aneinander gewöhnt hatten? Ein ernüchternder Gedanke.
    Er schüttelte den Kopf, schob alle ernüchternden Gedanken weit von sich und nahm sich noch eine Scheibe von der knusprigen Ente. Immerhin war das hier seine Hochzeit, und die wollte gefeiert werden.
    „Ach, was war das für eine schöne Hochzeit, Mylady", schwärmte Sally ganz hingerissen, als sie Melisande an diesem Abend aus dem Kleid half. „Seine Lordschaft sah richtig schnittig aus in seinem roten Rock, fanden Sie nicht auch? So groß ist er und hat so breite Schultern, ach ...", seufzte sie. „Wahrscheinlich braucht er seinen Rock nicht einmal auspolstern zu lassen, was meinen Sie?"
    „Mmmm", machte Melisande. Lord Vales Schultern hatten es ihr durchaus angetan, aber es schien ihr nicht schicklich, die körperlichen Vorzüge ihres Gatten mit ihrer Kammerzofe zu besprechen. Schweigend trat sie aus ihren Unterröcken.
    Sally hob die Röcke auf und breitete sie über einen Stuhl, ehe sie Melisandes Korsett aufzuschnüren begann. „Und als Lord Vale die Münzen in die Menge geworfen hat! Was für ein netter Gentleman er doch ist. Wussten Sie, Ma'am, dass er jedem von uns eine ganze Guinee gegeben hat, sogar dem kleinen Schuhputzerjungen ?"
    „Wirklich?" Melisande musste sich ob dieser sentimentalen Anwandlung Lord Vales ein Lächeln verkneifen. Aber nein, es überraschte sie nicht. Sie rieb sich eine wunde Stelle unter dem Arm, wo das Korsett ein wenig gescheuert hatte. Dann, nur mehr in ihre Chemise gekleidet, setzte sie sich an den zierlichen Toilettentisch aus hellem Wurzelholz und begann ihre Strümpfe abzustreifen.
    „Die Köchin meinte, Lord Vale wäre ein sehr angenehmer Herr. Zahlt einem regelmäßig den Lohn und schreit nicht herum, wie manche Gentlemen es tun." Sally schüttelte das Korsett aus und legte es sorgsam in den großen Schrank, der in der Ecke stand.
    Seit Lord Vales Vater gestorben und seine Mutter die Witwenresidenz bezogen hatte, waren die Gemächer der Viscountess in Renshaw House unbewohnt geblieben. Aber Mrs Moore, die Haushälterin, schien eine fähige Person zu sein. Die Zimmer waren gründlich hergerichtet worden, das honigfarbene Holz frisch gewachst und von mattem Glanz, die dunkelblau und goldenen Draperien gelüftet und ausgeklopft, ja, selbst die Teppiche schienen gründlich ausgeschlagen worden zu sein.
    Das Schlafgemach war nicht sehr geräumig, doch recht hübsch. Die Wände waren in einem beruhigenden Cremeweiß gehalten, die Teppiche dunkelblau mit einem winzigen Muster in Rubinrot und Gold. Der Kamin war klein und anheimelnd, kobaltblau gekachelt mit einem Sims aus geweißtem Holz. Zwei zierliche Stühle mit vergoldeten Beinen standen davor, dazwischen ein niedriger Tisch mit Marmorplatte. An einer Wand führte eine Tür in die Gemächer des Viscounts — rasch sah sie beiseite —, gegenüber gelangte man in den Ankleideraum und dahinter in ihren privaten Salon. An der Tür des Ankleidezimmers ließ sich von Zeit zu Zeit ein leises Scharren und Kratzen vernehmen, doch Melisande ignorierte es.
    „Du hast also schon die Bekanntschaft der anderen Dienstboten gemacht?", fragte sie ihre Zofe, um nicht die ganze Zeit zu Lord Vales Tür hinüberzustarren wie ein liebeskrankes Dummchen.
    „Ja, Mylady." Sally trat hinter sie und begann ihre aufgesteckte Frisur zu lösen. „Mr Oaks, der Butler, ist sehr streng, aber er scheint gerecht zu sein. Mrs Moore sagt, sie würde jederzeit auf sein Urteil vertrauen. Es gibt sechs Küchenmädchen und fünf Zimmermädchen, und ich

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