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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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entgegen. „Du könntest mir von deiner Jugend erzählen."
    „Oh je, da ist nicht besonders viel passiert ...", müßig fuhr er mit dem Finger über den Rand seines Glases, „... abgesehen von dem einen Mal, als Reynaud und ich fast auf dem Anwesen der St Aubyns ertrunken wären."
    „Dann erzähl mir davon."
    „Wir waren in einem kritischen Alter", begann Jasper. „Elf, um genau zu sein. Es war der Sommer, bevor wir aufs Internat kamen."
    „Aha", meinte sie, suchte sich eine Erdbeere aus und legte sie sich auf ihren Teller. Es war weder die größte noch die schönste Erdbeere, aber sie war wunderbar rot und reif. Sachte strich sie mit dem Finger darüber, als genieße sie die Vorfreude, sich die Beere gleich auf der Zunge zergehen zu lassen.
    Jasper sah es und nahm einen Schluck Wein. Auf einmal war ihm die Kehle wie ausgedörrt. „Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich an besagtem Nachmittag meinem Lehrer ausgebüxt war."
    „Ausgebüxt?", wiederholte sie und drehte die Erdbeere auf ihrem Teller.
    Wie gebannt betrachtete er ihre Finger und stellte sie sich an ganz anderer Stelle vor. „Mein Hauslehrer war nicht mehr der Jüngste, und wenn ich genügend Vorsprung hatte, hatte er keine Chance, mich einzuholen."
    „Der arme Mann", sagte sie und biss in die Erdbeere.
    Jasper stockte der Atem und jeder klare Gedanke verflüchtigte sich. Dann räusperte er sich, doch es brachte wenig, seine Stimme klang immer noch heiser. „Ja, also, ich war ihm ausgebüxt, was ja gar nicht mal schlimm gewesen wäre, wenn Reynaud sich nicht auch vor seinen Stunden gedrückt hätte."
    Sie schluckte herunter. „Warum das?"
    „Wir hatten verabredet, uns am Teich der St Aubyns zu treffen. Leider."
    „Leider?"
    Die Erinnerung ließ ihn zusammenzucken. „Weil wir ein Floß bauen wollten."
    Sie hob die Brauen, zarte, blassbraune Schwingen.
    Er spießte sich mit dem Messer ein Stück Käse auf und aß es. „Wie sich zeigen sollte, ist es schwerer als gedacht, aus herabgefallenen, halbmorschen Ästen und einem Stück Schnur ein Floß zu bauen. Vor allem, wenn man erst elf ist."
    „Ich ahne eine Tragödie." Ihre Miene war ernst, doch ihre Augen lachten ihn an.
    „In der Tat." Er nahm sich eine Erdbeere und drehte sie am Stiel zwischen den Fingern hin und her. „Stunden später waren wir von oben bis unten nass und verdreckt, waren völlig außer Atem und verschwitzt, doch mächtig stolz, denn irgendwie hatten wir es geschafft, ein Vehikel zu bauen, das einen Meter im Quadrat maß, wenngleich es alles andere als quadratisch war."
    Sie biss sich auf die Lippe, als müsse sie sich das Lachen verkneifen. „Und dann?"
    Die Erdbeere noch immer in der Hand, stützte er die Ellbogen auf den Tisch und sah sehr feierlich drein. „Im Nachhinein muss man sagen, dass unser Floß vermutlich auch ohne Last nicht seetüchtig gewesen wäre. Selbstverständlich ist uns der Gedanke, es auszuprobieren, ehe wir damit über den Teich setzten, gar nicht gekommen."
    Nun lächelte sie, versuchte nicht länger, das Lachen zurückzuhalten, und er war froh darum. Diese Frau aus der Fassung zu bringen, sie dazu zu bringen, ihrer Freude Ausdruck zu verleihen, war keine leichte Sache. Das eigentliche Wunder war indes, wie viel Freude es ihm bereitete, sie so vergnügt zu sehen.
    „Es kam, wie es kommen musste." Er beugte sich vor und hielt die Erdbeere an ihren lächelnden Mund. Ihre blassrosa Lippen teilten sich, und sie biss hinein. Seine Lenden spannten sich, und er konnte kaum den Blick von ihrem Mund nehmen, als sie kaute. „Wir erlitten sofort Schiffbruch. Wahrscheinlich konnten wir dankbar sein, dass unser Floß so untauglich war."
    Sie schluckte. „Warum?"
    Er warf den Erdbeerstiel fort und verschränkte die Arme vor sich auf dem Tisch. „Weil wir noch nicht weit gekommen waren. Ungefähr einen halben Meter vom Ufer entfernt sind wir gesunken. Wir sind mitten im Schilf gestrandet, wo das Wasser uns nur bis zur Hüfte reichte."
    „Das war es schon?"
    Er musste schmunzeln. „Das wäre es gewesen, wäre Reynaud nicht dummerweise in einem Gänsenest gelandet."
    Mitfühlend verzog sie das Gesicht. „Oh je."
    Er nickte gewichtig. „Allerdings. Der Gänserich hat sich ziemlich über den ungebetenen Besuch echauffiert. Laut schnatternd hat er uns bis nach Vale Manor verfolgt. Und da wartete auch schon mein Hauslehrer auf uns und hat mir mit dem Rohrstock eins übergezogen, dass ich eine Woche lang nicht sitzen konnte. Seitdem mag ich Gänse am

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