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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Schottland? Dieses heidnische, barbarische Land? Es hieß, die Männer ließen sich dort so wüste Bärte stehen, dass man kaum ihre Gesichter sehen konnte. Zudem war allgemein bekannt, dass Schotten niemals badeten.
    Die Köchin schienen ganz ähnliche Sorgen umzutreiben. „Und das, wo die beiden gerade mal frisch verheiratet sind", seufzte sie, als sie die kleinen Zitronentörtchen aufs Tablett lud. „Ein Jammer ist das, wirklich ein Jammer."
    Sie bedeutete Bernie, das Tablett nach oben zu tragen, hielt ihn dann jedoch zurück. „Haben sie gesagt, wie lange sie fort sein werden?"
    „Er hat es Mylady gerade erst eröffnet, aber es dürfte wohl Wochen dauern, oder?" Der Lakai schnappte sich das Tablett und schulterte es behände. „Oder Monate. Und sie wollen sofort aufbrechen. Gleich morgen früh."
    Kaum war Bernie aus der Küche marschiert, brach eines der Mädchen in Tränen aus.
    Auch Sally schluckte schwer. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Sie würde mit Lady Vale nach Schottland reisen müssen. So war das nun einmal, wenn man Kammerzofe war. Plötzlich schien ihr ihre neue Stellung, die Verlockung des höheren Lohns, bei dem sie sogar etwas zurücklegen konnte — gar nicht mehr so berauschend. Sally schauderte. Schottland lag nicht nur am Ende der Welt, es war das Ende der Welt.
    „Ruhig Blut, es gibt keinen Grund, sich so anzustellen", erklang Mr Pynchs tiefe Stimme vom Herdfeuer, wo er wie jeden Abend seine Pfeife rauchte.
    Zunächst meinte Sally, er weise mal wieder sie zurecht, aber er meinte wohl Bitsy, die noch immer heulte.
    „So schlimm ist Schottland nun auch wieder nicht", versicherte der Kammerdiener.
    „Waren Sie denn schon mal in Schottland, Mr Pynch?", fragte Sally. Sollte es der Fall sein und er war bei lebendigem Leib zurückgekehrt, konnte es so schlimm wahrlich nicht sein.
    „Nein", sagte Pynch und machte ihre Hoffnungen mit einem Schlag zunichte. „Aber in der Armee kannte ich einige Schotten, und die waren auch nicht anders als wir — nur dass sie ein bisschen komisch gesprochen haben."
    Sally starrte in ihre Rinderbrühe, die aus den Knochen des Rostbratens gekocht war, den die Köchin für die Herrschaften bereitet hatte. Es war eine wirklich gute Suppe, schmackhaft und kräftig. Bis eben hatte sie Sally ganz hervorragend gemundet. Aber nun drehte sich ihr beim Anblick der Fettschlieren, die auf der Suppe schwammen, schier der Magen um. Ein paar Schotten gekannt zu haben und nach Schottland zu reisen war ja wohl längst nicht dasselbe. Sally war fast schon wieder wütend auf Mr Pynch, weil er den Unterschied nicht selbst sah. Seine Schotten waren wahrscheinlich während ihrer Zeit in der Armee zivilisiert worden. Aber Schotten in ihrem angestammten Revier ... Vielleicht hatten sie eine Vorliebe für zierliche blonde Mädchen aus London. Wilde Schotten würden sie nachts aus ihrem Bett rauben und schändlich missbrauchen — oder Schlimmeres.
    „Jetzt mach dich mal nicht verrückt, Mädchen." Plötzlich war Mr Pynchs Stimme ganz nah.
    Sally schaute auf und sah, dass der Kammerdiener ihr gegenüber am Tisch Platz genommen hatte. Während sie über ihrer Suppe gebrütet hatte, waren die anderen zurück an die Arbeit gegangen. Bitsy spülte noch immer schniefend das Geschirr ab. Niemand achtete auf Kammerdiener und Kammerzofe, die am äußersten Ende des langen Küchentischs saßen.
    Mr Pynchs Augen funkelten und waren aufmerksam auf sie gerichtet. Nie zuvor war ihr aufgefallen, wie schön grün sie waren.
    Der Kammerdiener stützte die Ellbogen auf den Tisch, in der einen Hand die lange, weiße Tonpfeife. „In Schottland braucht man sich wirklich vor nichts zu fürchten. Es ist dort auch nicht anders als anderswo."
    Sally rührte mit dem Löffel in ihrer Suppe herum. „Ich war in meinem ganzen Leben nicht weiter als bis Greenwich."
    „Ach nein? Wo sind Sie denn geboren?"
    „Seven Dials", sagte sie und sah ihn verstohlen an, um zu ergründen, ob er wieder seine verächtliche Miene aufsetzte. Seven Dials war berüchtigt.
    Doch er nickte nur, zog an seiner Pfeife und blies den Rauch zur Seite, damit er ihr nicht in die Augen kam. „Haben Sie da noch Familie?"
    „Nur meinen Pa." Sie krauste die Nase und gestand: „Zumindest hat er zuletzt noch da gelebt. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen."
    „War er schlimm?"
    „Es gab Schlimmere." Sie fuhr mit dem Finger um den Rand der Suppenschale. „Er hat mich nicht oft geschlagen, und wenn was da war, hat er mir auch

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