Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
Neffe von Trude, Mathias Ennenhof, hat sich deshalb ziemlich aufgeregt«, wagte Greta sich an das Thema heran.
»So, so, Mattes war also angefressen. Überrascht mich nicht, tief in seinem Inneren versteckt er die Seele eines edlen Ritters, auch wenn man das bei seiner direkten und manchmal auch ziemlich barschen Art nicht unbedingt glauben mag.« Ein Funkeln trat in Mathildes Augen, als würde ihr so manche pikante Erinnerung durch den Kopf gehen. »Ritterlichkeit hin oder her, angesprochen hat Mattes meinen bequemen Bruder ja trotzdem nicht. Nein, nicht den Frank, obwohl er sich ansonsten jeden vorgeknöpft hätte. So ist das, oder?« Als Greta ratlos mit den Schultern zuckte, winkte Mathilde ab. »Keine Sorge, das war eine rein rhetorische Frage, ich kenne diesen Mattes Ennenhof – und zwar besser als viele andere auf Beekensiel. Wir waren früher nämlich ein Paar.«
»Davon habe ich gehört«, gab Greta zu. Sie kam nicht dagegen an, ihr schlug das Herz hoch bis zur Kehle. »Auch davon, dass Mattes deshalb auch einen Bogen um deinen Bruder macht, obwohl ihn diese unfreiwillige Zurückhaltung wohl ziemlich wurmt. Es überrascht mich nicht, mir kommt Mattes vor wie jemand, der es gewohnt ist, seinen Kopf durchzusetzen, egal welche Wände er dabei einrennt.«
»O ja, davon kann ich ein Lied singen.« Entgegen dieser Aussage erschien ein Lächeln auf Mathildes Gesicht und zeigte eine Reihe weißer Zähne, während sie Greta plötzlich mit einem anderen Blick maß, wie diese unangenehm berührt feststellte. Ihre Camouflage als neugierige Kundin, die auf ein bisschen Inseltratsch aus war, war mit Pauken und Trompeten aufgeflogen. »Jetzt begreife ich auch die Anspielung, die Trude heute Morgen losgelassen hat, als sie an meinem Stand vorbeigeeilt ist. Von wegen ›auf wirklich jeden Topf passt ein Deckel‹. Und ich dachte, sie macht sich bloß wieder über die organische Form meiner Badesalztöpfchen lustig. Dabei ist es endlich wieder einer Frau gelungen, Mattes’ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das nenne ich eine echte Neuigkeit!«
Noch immer lächelte Mathilde ihr Strahlelächeln, sodass Greta sich allmählich entspannte. Allem Anschein nach hatte sie sich nicht getäuscht, was Mathildes Gefühle für ihren Verflossenen anbelangte: Auch wenn sie Mattes ohne jeden Zweifel noch gut leiden mochte, so war sie über das Ende ihrer Liebesbeziehung hinweg. Keine Frau, die im Geheimen noch Gefühle für einen Mann hegte, würde eine potentielle Nachfolgerin mit einem solch vergnügten Ausdruck betrachten. Trotzdem wollte Greta die Andeutung, sie habe ein romantisches Interesse an Mattes, so nicht stehen lassen.
»Falls Trude das mit ihrem Kommentar gemeint hat, übertreibt sie maßlos. Mattes hilft mir lediglich dabei, den Spuren meines Großvaters auf der Insel zu folgen, der ist nämlich auf Beekensiel aufgewachsen und war seit Ewigkeiten nicht mehr hier.«
»Tatsächlich?« Das Lächeln verwandelte sich in ein wissendes Grinsen: So leicht ließ Mathilde sich nicht von einer Spur abbringen. »Mattes ist ein hilfsbereiter Kerl, aber er hat genug eigene Ideen im Kopf, um aus reiner Nächstenliebe den Geschichten eines Fremden hinterherzulaufen. Nein, mir brauchst du nichts vorzumachen, ich weiß, wann der alte Brummbär schwach wird.«
»Das scheint hier jeder außer mir mitzubekommen.« Obwohl Greta vor Verlegenheit rot anlief, hielt sie Mathildes prüfendem Blick stand. Es schien ihr wichtiger denn je zu begreifen, warum Mattes Ennenhof diese Beziehung aufgegeben hatte. Was mochte ihn bloß dazu veranlasst haben?
Mathilde rieb mit dem Daumennagel über ihre Unterlippe, dann holte sie ein Leinentuch hervor, das sie über ihren Töpferstand ausbreitete. »Petra, gibst du mal einen Augenblick auf meine Sachen acht? Ich brauche dringend was Warmes zu trinken.« Obwohl die Verkäuferin vom Nachbarstand enttäuscht dreinblickte, weil der Informationsfluss zu versiegen drohte, stimmte sie zu und ließ die beiden Frauen obendrein noch jede einen Apfel aussuchen. »Komm, wir holen uns einen Kaffee, und dann gehen wir zusammen ein paar Schritte am Kai entlang. Normalerweise würde ich mich ja mit dir verabreden, aber heute Nachmittag bin ich mit meiner Tochter Leni allein, und die Arme zahnt gerade. Da werde ich keine ruhige Minute haben, und mit einem weinenden Baby im Arm fühlt man sich nicht gerade bemüßigt, über ein Liebesaus zu reden, das einem übel zugesetzt hat, auch wenn es schon ein paar Jahre her
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