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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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sämtliche Frauen, die Mattes nahestehen, felsenfest davon überzeugt sind, dass er eine Beziehung mit mir eingehen möchte. Und dass obwohl er mich erst seit einigen Tagen kennt und sich bei der Hälfte unserer Gespräche mit mir gestritten hat. Einmal davon abgesehen, dass zu einer Liebesgeschichte immer zwei gehören, und mir sind meine Gefühle ja wohl kaum von der Nasenspitze abzulesen.«
    Adele winkte ungeduldig ab, als sie sich zu Greta in die Nische setzte. »Glauben Sie mir, ich weiß, wann ich es mit einem verliebten Frauenzimmer zu tun habe. Wer sonst steht sich bei diesem Wetter und völlig ermattet die Beine in den Bauch? So etwas Unsinniges tun nur Verliebte. Außerdem laufen Sie jedes Mal rot an, wenn Mattes’ Name fällt. Ich bin alt, aber nicht blind. Und was Mattes anbelangt … In dieser Hinsicht schlägt er vollkommen nach seinem Großvater, der konnte seine Gefühle auch nicht verbergen, obwohl er sich für einen Meister der Diskretion gehalten hat.« Zum ersten Mal schlich sich ein Lächeln auf Adeles Lippen, um zugleich von Traurigkeit überschattet zu werden. »Zu leidenschaftlich und zu unbekümmert, obwohl er eigentlich hätte wissen müssen, dass es auch schiefgehen kann, wenn man das Schicksal herausfordert.« Die letzten Worte waren nur ein Flüstern, dann verstummte Adele und blickte zum Fenster hinaus, als habe sie Gretas Anwesenheit vergessen.
    Und auch Greta spürte erneut den Sog der Vergangenheit, als würde sich eine Brücke zwischen dem Heute und dem Damals aufbauen, wobei es ihr überlassen blieb, sie zu überqueren. Ehe sie sich’s versah, hatte sie die Abzüge aus dem Umschlag hervorgeholt und zeigte Adele die Aufnahme von Arjen. »Schauen Sie einmal, die berühmte Hakennase meines Großvaters war noch nicht einmal zu erahnen gewesen, als er noch ein Junge war. Er hatte ein richtig pausbäckiges Gesicht.« Als Adele nicht reagierte, legte sie ihr behutsam die Hand auf die Schulter. »Haben Sie Arjen so in Erinnerung?«
    Endlich warf Adele einen Blick auf das Schwarzweißfoto. »Himmel, ich hatte ganz vergessen, dass er so ein Moppel gewesen ist. Nein, in meiner Erinnerung ist Arjen ein hagerer, blasser Kerl, immer eine Spur zu zögerlich, aber sehr wortgewandt und freundlich. Was ist denn aus ihm geworden?«
    Mit einigen Sätzen umriss Greta das Leben ihres Großvaters, wohl wissend, dass sie ihm damit nicht einmal ansatzweise gerecht wurde.
    »Arjen ist also Landarzt geworden? Eine gute Wahl, da kann man den Menschen tatsächlich helfen, und das ganz ohne große Reden zu schwingen. Sein Vater hat es ja lieber andersherum gehalten. Es ist erstaunlich, dass es Arjen gelungen ist, seinen eigenen Weg zu gehen, nachdem er bei einem solch engstirnigen Vater aufgewachsen ist. Viele andere wären unter dem Druck zerbrochen, vor allem da ja noch die Kriegserfahrungen hinzukamen.«
    »Nun, mein Großvater hat Hilfe von ganz unerwarteter Seite erfahren. Er hat jemanden getroffen, der ihn mehr geprägt hat als jeder andere Mensch in seinem Leben. Warten Sie, ich zeige ihn Ihnen.«
    Bei dem Versuch, Rubens Foto aus dem Stapel herauszulösen, entglitt er Gretas Händen, und die Abzüge verteilten sich auf den Sitzkissen. Während die beiden Frauen die Fotos aufsammelten, klopfte es an der Tür.
    »Störe ich?«
    Freudig blickte Greta auf, nur um in Mattes’ verschlossenes Gesicht zu sehen. »Das war aber ein langer Abendspaziergang«, versuchte sie seine Stimmung aufzuhellen.
    Mattes zog sich die Wollmütze vom Kopf, als er auf sie zutrat. Greta bemerkte, dass er ebenfalls nur Socken an den Füßen trug. Offenbar war sie nicht die Einzige, die Adeles Erziehungsmethoden zu spüren bekommen hatte. »Tut mir leid, dass du warten musstest, aber es gab einige Dinge, die ich mir durch den Kopf gehen lassen musste.«
    Offenbar hat er die Nachricht, dass ich mit Mathilde geredet habe, nicht gut weggesteckt , mutmaßte Greta und lächelte ihn demonstrativ an, damit er gar nicht erst den Verdacht hegte, sie könnte ihn nun aus anderen Augen sehen. Aber Mattes beachtete sie nicht länger, er war neben seine Großmutter getreten, die so kerzengerade dasaß, dass es schon unnatürlich aussah. Mit starrem Blick betrachtete sie die Fotos, die sie eingesammelt hatte und die ihr wieder aus den Händen gefallen waren. Als Mattes sich zu ihr hinabbeugte und über ihre Wange strich, begann die alte Dame zu weinen. Vollkommen lautlos.
    »Sind das die Abzüge von dem Film?« In Mattes’ Stimme lag eine

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