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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Ausrutscher, weil man damit ordentlich für Ge sprächsstoff sorgte. Der Geschmack von Cocktailkirschen setzte ihren Plänen, sich anständig zu betrinken, allerdings sogleich ein Ende. Die zähe Flüssigkeit klebte ihr regelrecht am Gaumen fest. Um dieses Teufelszeug anständig runterzubekommen, muss man ja seit Ewigkeiten im Training sein , dachte Greta, bevor sie beherzt schluckte.
    »Ein ordentliches Tröpfchen, was? Und gleich noch einen hinterher.« Während Greta den Tränenschleier aus den Augen blinzelte, schenkte Wilke ihr bereits nach. »Immer schön den Kopf in den Nacken und dann fix ein Leberwurstbrot hinterher. Wir heben das Glas hoch auf den mürben Knochen Rosenboom, auf dass der Teufel ihn vergisst!«
    »Nur zu, mein Liebes. Einen besseren Trinkspruch wird es heute nicht mehr geben«, sagte eine vom Alter tief gewordene Stimme neben ihr.
    Greta blickte in Arjens ungebrochen strahlend blaue Augen. Mit seiner immer noch aufrechten Haltung überragte er sie ein ganzes Stück, und obwohl er deutlich hagerer geworden war, fühlte sie sich in seinem Schatten geborgen. Mit einem Lächeln prostete Greta ihm erst zu, dann umarmte sie ihren Großvater. »Alles Liebe und Wundervolle zum Geburtstag. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt da bin. Wirklich sehr leid.«
    »Nicht doch«, erwiderte Arjen. Sein Gesicht war braungebrannt vom gerade ausklingenden Sommer, und die Furchen um Augen und Mund waren noch ein Stück tiefer geworden seit ihrem letzten Besuch. »Mir tut es leid, dass du so eine weite Reise wegen dieses lästigen Ehrentags auf dich genommen hast, obwohl ich mich natürlich außerordentlich darüber freue. Hübsch übrigens, wie du dein Haar trägst.«
    »Frisur kann man das, glaube ich, nur nennen, wenn man eine halbe Flasche von ›Wilkes Spezial‹ intus hat.« Es fiel Greta so leicht wie immer, mit Arjen zu plaudern. Ein Wort ergab das andere, sodass sie die Gesellschaft des anderen nie leid wurden.
    »Dann bin ich der richtige Mann. Wirklich, Wilke, ich bin froh, dass kein einziger Zahn in meinem Mund mehr echt ist, ansonsten würde ich mir nach diesem Zuckerkonzentrat ordentlich Sorgen um meine Beißer machen. Hat dieser Sirup überhaupt jemals eine echte Kirsche gesehen?«
    Während Wilke bloß abwinkte und sich Menschen zuwandte, die mehr von seinen Destillierkünsten verstanden, deutete Arjen auf die offenstehende Terrassentür, die in den Garten führte.
    »Nach meinem Nickerchen brauche ich dringend ein wenig Bewegung. Möchtest du mich begleiten?«
    »Nichts lieber als das.« Glücklich hakte sich Greta bei ihrem Großvater unter.
    Der Garten lag still im Nachmittagslicht. Die Kinder, die vor kurzem noch zwischen den Obstbäumen Fangen gespielt oder verbotenerweise Astern gepflückt hatten, waren hungrig ins Haus zurückgekehrt. Auch die Gruppe von Rauchern, die es sich in der Laube gemütlich gemacht hatten, war verschwunden. Arjen und Greta steuerten in Eintracht die Bank unter dem Apfelbaum an, jenen Ort, den sie schon in Kindheitstagen geliebt hatte. Von hier aus konnte man den weitläufigen Garten mit seinen Rabatten und Obstbäumen am besten überschauen und fühlte sich zugleich geborgen. Ein paar späte Äpfel hingen noch im Baum, als hätten sie auf Gretas Rückkehr gewartet.
    »Lass uns die ruhigen Minuten genießen, bevor die Meute wie auf ein geheimes Signal hin aufbricht und Anette uns scheucht, damit wir uns rechtzeitig zum Abendessen zurechtmachen. Der heutige Tag ist nämlich fest durchgetaktet wie ein offizieller Anlass. Heute Vormittag ging es los, da wurde denjenigen eine Audienz gewährt, die nicht zur großen Kuchenschlacht geladen worden waren. Ich bin ehrlich erstaunt, dass die Gratulanten unter Anettes Aufsicht weder Zehn-Minuten-Termine zugewiesen bekamen noch Nummern ziehen mussten, um mir die Hand zu schütteln.«
    Obwohl Arjen amüsiert klang, glaubte Greta eine gewisse Erschöpfung herauszuhören. Auch seine Hand, die sie hielt, fühlte sich ungewohnt knochig und kühl an. Die ganze Aufmerksamkeit überstieg seine Kräfte, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte. »Anette will dir halt um jeden Preis zeigen, wie wichtig du für Meresund und unsere Familie bist«, tastete sie sich vorsichtig an das Thema heran. »Die vielen Gratulanten und Gäste … Mir schwirrt ebenfalls der Kopf, und dabei bin ich erst seit einer Stunde hier. Es wird sicherlich jeder verstehen, wenn du den Restaurantbesuch ausfallen lässt und dich stattdessen zurückziehst.«
    Arjen

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