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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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mir trotz aller Strenge nicht austreiben konnte. Womit er ja nicht verkehrt lag. Da hat mein Vater sich redlich Mühe gegeben, um mich nach seiner Vorstellung großzuziehen. Und was mache ich, sein einziger Sohn? Nehme mir einen dahergelaufenen Bengel zum Vorbild. Obwohl ich gestehen muss, dass es eine Weile brauchte, bis Rubens Einfluss sich wirklich bemerkbar machte. Selbst als er nach dem Krieg zurückgekehrt war, ahnte ich noch nicht, wie bedeutend er wirklich für mich war. Und schon gar nicht, als mir langsam aufging, auf welche Weise er Ole Ennenhof in die Schranken weisen wollte … oder gar warum.«

30
    SOMMER 1946
    Selbst am späten Nachmittag war die Hitze noch unerträglich. Thaisen hatte die Gartenbank in den Schatten des Kirschbaums geschoben und nach einigem Zögern sein Jackett abgelegt. Die Hemdsärmel hätte er allerdings niemals aufgekrempelt, obwohl ihm der Schweiß übers Gesicht lief. Neben ihm lag das Notizbuch, in dem er Stichworte für seine Predigten, die immer mehr Anklagen ähnelten, aufschrieb. Es war jedoch weit und breit kein Stift zu sehen, als diente das Notizbuch bloß als Alibi für eine Auszeit. Arjen hingegen nahm die Hitze nicht als Belastung wahr. Nein, für ihn fühlte sie sich gar nicht wie Hitze an, sondern leckte mit einer Glutzunge über seine Haut, die er ungewöhnlich deutlich wahrnahm. Sein ganzer Körper erschien ihm plötzlich sehr sensibel. Es war, als vibriere er immer noch vom Rhythmus des Tanznachmittags. Selbst der drückenden Luft, die wie eine Glocke über der Insel hing, wohnte für ihn etwas Verheißungsvolles inne.
    Arjen warf einen Blick auf seinen Vater: Thaisen atmete schwer durch den Mund, und trotz der Sommerbräune wirkte seine Gesichtsfarbe gräulich. Es liegt an seinem Herzen , vermutete Arjen, obwohl sein Vater nicht müde wurde zu behaupten, dass ein Lausebengel wie er doch wohl kaum besser wissen konnte als er, wie es um seine Gesundheit bestellt war. Es ließ sich jedoch nicht leugnen, dass die letzten Jahre einen Tribut von Thaisen Rosenboom forderten, den er nicht durch seinen eisernen Willen auszugleichen vermochte. Die vielen Kriegsversehrten, die er als Seelsorger an der Front bis zu ihrem Ende begleitet hatte, und die nicht abreißen wollende Sorge um die Gesundheit seines Sohns hatten ihn geschwächt, auch wenn er das nicht einzusehen bereit war.
    Obwohl sein Vater fürsorgliche Gesten nicht zu schätzen wusste, brachte Arjen ihm ein Glas Wasser. Er wagte es sogar, ihn dabei anzusprechen: »Willst du dich nicht für eine Stunde hinlegen?«
    Mit dem erwarteten missbilligenden Schnaufen nahm Thaisen das Glas entgegen und trank. »Meine Predigt schreibt sich nicht von allein. Ich spiele mit dem Gedanken, mich dem Geschick Lots zu widmen, denn dass Sodom dabei ist, wieder aufzuerstehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Man muss es den Gläubigen sagen, bevor sie vergessen, dass sie Gläubige sind, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Arjen hockte sich vor seinem Vater auf die Fersen und fragte sich, ob es das war, was Thaisen im Geiste sah: Wie Feuer und Schwefel auf Beekensiel niedergehen würden, wenn er, der strenge Ermahner, nicht mehr sein würde. Doch eine solche Eitelkeit hätte sich sein Vater niemals eingestanden.
    »Ich kann es in ihren Gesichtern sehen, dass sie immer noch nicht begriffen haben, wozu ihr lasterhaftes Treiben führt«, fuhr Thaisen fort, die Augenlider halb geschlossen, als sei jedes Wort eine Anstrengung. »Sie sehnen sich nach Vergebung, aber noch mehr sehnen sie sich nach Vergessen, damit sie wieder tanzen und lachen können. Hast du diesen aufgeblasenen Claußen gesehen? Kein goldenes Kalb, sondern ein geschniegelter Bulle, und sie sind nur allzu bereit, ihn anzubeten. So viel Dummheit will mir nicht in den Kopf! Schließlich haben wir doch alle soeben erst erlebt, was ihre zur Ersatzreligion erhobene Politik angerichtet hat. Aber sie machen weiter, immer weiter, sogar wenn das Feuer bereits auf sie niedergegangen ist.«
    Unter anderen Umständen wäre das bloß der Auftakt für eine von seinen berüchtigten Ansprachen geworden, aber nun blieb ihm schlicht die Luft weg. Während er noch japste, packte Arjen ihn kurzentschlossen unter den Achseln und führte ihn ins Haus.
    »Du wirst dich in der Stube aufs Sofa legen und zwar ohne Widerspruch. Die Predigt kann warten und alles andere auch. Ich möchte nicht, dass du heute noch einmal aufstehst, Vater.«
    »Bitte?« Thaisen stand der Unglaube ins Gesicht

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