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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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höher steigen!«
    Arjen sprang in die Luft und tat, als wolle er nach dem Drachen greifen, was jedoch unmöglich war. In einem kräftigen Bogen flog der Drachen auf und ab, machte Drehungen und zitterte, als warte er bloß auf eine Gelegenheit, um auszubrechen.
    »Würde ich ja gern, aber der Wind ist zu stark. Es wäre doch nicht verkehrt gewesen, ihn kleiner zu bauen, genau wie du gesagt hast. Aber zur Hölle! Er ist ein Prachtexemplar von einem Drachen!«
    Auch in Rubens Augen war die Begeisterung zu lesen. Er hatte gewusst, dass es großartig werden würde. Aber so großartig? Das konnte er sich kaum vorgestellt haben. Als Arjen die Hand ausstreckte, reichte sein Freund ihm die Garnrolle und übernahm den Part des Drachenjägers, wobei er die tollkühnsten Sprünge vollführte und sich nicht darum scherte, immer wieder im nassen Sand des Watts hinzufallen, bis er ganz paniert aussah.
    Die Jungen waren derartig in ihr Spiel versunken, dass sie nicht mitbekamen, wie sie von den Dünen aus beobachtet wurden. Seit Wochen trieben sie sich nun schon auf der Insel herum, stets mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt und auf Pfaden, die kein anderer Insulaner kreuzte. Sie werkelten an ihrem Schlupfloch in der Fischerkate, gingen angeln oder suchten nach Möweneiern und Strandgut. Sie waren so erfolgreich darin gewesen, die Welt der Beekensieler hinter sich zu lassen, dass sie ihre Vorsicht vergessen hatten. Als nun Haro Flennigs und seine beiden Kumpane auf sie zuschlenderten, bemerkten sie es erst, als Oke mit den Segelohren Arjen die Garnrolle entwand.
    »Seid ihr beiden Pfeifen nicht noch ein bisschen zu klein, um Drachen steigen zu lassen?« Haro grinste und zeigte eine Reihe kleiner gelber Zähne, ganz der Anführer seiner Meute.
    »Ach, ist ja nur ein Babydrachen«, sagte Oke, um im nächsten Moment einen Schritt nach vorn gerissen zu werden, weil der Babydrachen stärker war als er.
    Während Arjen hilflos zusah, ballte Ruben die Hände zu Fäusten. Seine Lippen presste er zu einer schmalen Linie, und als würde Haro ihn nicht um eine Kopflänge überragen, stampfte er auf ihn zu.
    »Der Drachen gehört uns. Ich will ihn wiederhaben. Sofort.«
    Haro stoppte Ruben mit einem Stoß vor die Brust. »Du hast hier gar nichts zu wollen, du Fratz. Wer bist denn du überhaupt, irgendein Schiffbrüchiger, den Rosenboom aus dem Wasser gezogen hat? So siehst du zumindest aus, völlig zerlumpt und dreckig.«
    »Eine Wasserratte«, kicherte der namenlose Junge, der neben Haro stand, als wäre er sein zweiter Schatten.
    Ruben strich sich den Pony aus den Augen und funkelte Haro aufgebracht an. »Das geht dich einen feuchten Kehricht an, wer ich bin, Flennigs. Wozu auch? Du kannst dir meinen Namen eh nicht länger merken als ich brauche, um dir vor die Füße zu spucken. Vermutlich bist du schon froh, wenn du deinen eigenen Namen nicht vergisst.«
    Einige Sekunden lang rechnete Arjen fest damit, dass Haro den schmächtigen Ruben für diese Unverschämtheit niederschlagen würde. Stattdessen blickte der ältere Junge erst entgeistert drein, um dann in Gelächter auszubrechen.
    »Habt ihr das gehört? Scheißfrech, der Strich in der Landschaft. Dabei könnte ich ihn unangespitzt in den Boden rammen.« Wie zum Beweis verpasste er Ruben einen weiteren Stoß vor die Brust, der ihn zurücktaumeln ließ. Das war jedoch schon alles, womit Haro seine Überlegenheit bewies. Mehr hatte er eindeutig nicht nötig, und allem Anschein nach amüsierte ihn der fluchende Ruben obendrein.
    »Kleine scheißfreche Wasserratte«, steuerte Haros Schatten Udo der Unterhaltung bei.
    »Halt’s Maul«, fuhr Ruben ihn an, um im nächsten Moment eine kräftige Ohrfeige von Haro einzustecken, die seinen Kopf zur Seite fliegen ließ.
    Arjen entfuhr ein ängstlicher Schrei, der ihm viel zu hoch in den Ohren schrillte. Als er von einem Fuß auf den anderen trat, unentschieden, ob er seinem Freund zu Hilfe eilen sollte, stieß Oke ihm seinen Ellbogen in die Seite, woraufhin Arjen erstarrte. Von Prügeleien auf dem Schulhof hatte er sich stets ferngehalten, und die einzigen Schläge, die er jemals eingesteckt hatte, waren mit dem Gürtel seines Vaters aufs Hinterteil gewesen. Dieser plötzliche Übergriff schockierte Arjen mehr als der Schmerz, der in seinen Rippen aufflammte.
    »Mal nicht übertreiben mit den Frechheiten, Ratte«, sagte Haro. »So ein bisschen Geflaxe nimmt dir hier keiner übel, aber Udo zu sagen, dass er sein Maul halten soll, das darf

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