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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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sich eine Ratte wie du in meiner Gegenwart nicht erlauben. Obwohl mir sein Gequatsche manchmal auch ziemlich auf die Nerven geht. Also, wie sieht es aus: Reißt du dich zusammen, oder soll ich dir Benehmen beibringen?« Trotz der harschen Drohung wirkte Haro erstaunlich entspannt, während sein Kumpan Udo sichtlich den Spaß an der Kabbelei verlor. Offenbar nahm er es Haro übel, dass er ihn als Nervensäge bezeichnete, traute sich aber nicht, deshalb herumzumaulen. Haro hatte seinen Haufen fest im Griff.
    Als Ruben trotzig das Kinn hob und Arjen sah, wie auf seinem linken Wangenknochen ein dunkler Bluterguss aufblühte, befürchtete er, das Gleichgewicht zu verlieren. Ruben jedoch betastete die getroffene Stelle nicht einmal, gerade so, als würde sie ihn nicht im Geringsten kümmern. Immer noch blickte er Haro zornerfüllt an, nickte aber schließlich einwilligend.
    »Na, siehste. Geht doch. Deinen Namen kannste übrigens gern für dich behalten, Ratte. Ich weiß auch so, wer du bist: der Essensdieb, über den sich im Dorf alle das Maul zerreißen. Da hat Udo dir doch den richtigen Spitznamen verpasst. Ein schäbiges Nagetier, das in den Schatten herumkriecht und heimlich die Vorräte der ehrenwerten Beekensieler anknabbert. Wenn die dich in die Finger bekommen, werden die kurzen Prozess mit dir machen. Darauf kannst du dich verlassen: Geht es um ihr Futter, versteht die Bande keinen Spaß.«
    »Dazu müssen die mich erst einmal kriegen«, hielt Ruben unerschrocken dagegen.
    »Wir haben dich doch auch gekriegt. War ganz einfach.«
    »Passiert mir nicht noch einmal.« Ohne die Spur eines Zweifels verschränkte Ruben die Arme vor der Brust. »Und jetzt will ich den Drachen wiederhaben.«
    »Verpass der Ratte noch eine Maulschelle, sonst mache ich es. Dieses miese großschnäuzige Würstchen, dieses …« Udos Stolz hatte sich noch immer nicht erholt. Seine Schultern bebten vor Anspannung. »Oder wir packen ihn und schleppen ihn in den Ort, dann bekommen wir bestimmt einen Finderlohn. Oder noch besser: Wir bringen ihn zu Denneburg, der ist Ortsgruppenleiter, der weiß, wie man mit solchem Gesocks umgeht. Ein Anruf, und dann holen sie den Burschen ab. Gegen lichtscheues Gesindel wie den haben die was bei der Partei.«
    »Lass mich endlich mit deinen Nationalsozis in Ruhe, mit diesen Saubermännern hab ich nichts am Hut. Reicht schon, dass sie uns dazu zwingen, bei dieser Jugendarbeit mitzumachen, als wären wir ein Stück Knete, das sie sich zurechtformen können.« Haro baute sich vor Udo auf, allem Anschein nach hatten sie diese Diskussion schon häufiger geführt. »Und die Beekensieler, die wegen eines verschwundenen Stücks Käse rumheulen, die können mir mal den Buckel runterrutschen. Diese Arschlöcher. Für die spiele ich nicht den verfluchten Kammerjäger! Solange keiner auf die Idee kommt, uns die Schuld für die Diebstähle in die Schuhe zu schieben, soll die Ratte meinetwegen ruhig sämtliche Vorratsschränke im Dorf leerräumen. Geschieht denen recht. In unserem Vorratsschrank ist jedenfalls nichts zu holen, falls du vorhaben solltest, mal bei uns vorbeizuschauen, Ratte.«
    »Weiß ich«, sagte Ruben trocken. »Ich habe nämlich schon nachgesehen, und Luft lässt sich ja bekanntlich schlecht einstecken.«
    Endlich fand Haro sein Grinsen wieder. »Seht ihr? Der Nagezahn ist witzig. Wenn man ihn nach Strich und Faden vermöbelt, sagt der doch nichts mehr, und das wäre eine echte Schande.«
    »Unser Drachen«, erinnerte Ruben hartnäckig.
    »Was ist damit?«
    »Ich will ihn haben.«
    Haro verdrehte die Augen, dann riss er Oke die Garnrolle aus der Hand und zückte zu Arjens Entsetzen ein Taschenmesser, mit dem er den Faden durchschnitt. Im nächsten Moment wurde der Drachen von einer Böe erfasst und aufs Meer hinausgeweht, wo er nach einem rasanten Überschlag abstürzte. »Du willst deinen Drachen haben, Ratte? Dann hol ihn dir.«
    Unter zusammengezogenen Brauen stierte Ruben ihn an, dann drehte er sich um und lief auf die Brandung zu.
    »Der Kerl ist so verrückt, der schwimmt dem verdammten Drachen bis nach China hinterher.« Oke lachte schrill.
    Doch Haro hatte bereits das Interesse an Ruben verloren. Nachdem er die Klinge seines Taschenmessers mit dem Daumen geprüft hatte, steckte er es wieder weg. »Wenn er Pech hat, erwischt ihn die Strömung. Die ist manchmal ganz schön tückisch. Damit kennst du dich doch aus, Rosenboom. Oder? Kommt, Jungs, wir hauen ab.«
    Mit klopfendem Herzen lief Arjen

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