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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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er redete sich sofort ein, dass Ruben dafür viel zu gewieft war. Ihn musste etwas anderes aufgehalten haben: vielleicht ein Job, der ihm und Pirat das Abendessen einbrachte. Diese Vorstellung gefiel Arjen wesentlich besser. Am Abend beschloss er den Bohneneintopf aufzuessen, den er für seinen Freund abgezweigt hatte, denn bei der Wärme würde er nicht lange halten. Und gerade als er in Richtung Dorf aufbrechen wollte, in der Hoffnung, auf dem Weg auf Ruben zu treffen oder zumindest eine Neuigkeit aufzuschnappen, kehrte Thaisen auf seinem Fahrrad zum Reetdachhaus zurück.
    »Guten Abend, ich will noch rasch einen Spaziergang machen, bevor es dunkel wird«, begrüßte Arjen seinen Vater.
    Thaisen lehnte sein Fahrrad gegen den nächstbesten Baum, dann stellte er sich vor Arjen und versperrte ihm den Weg. Der Junge wollte seine Worte gerade wiederholen, da hob sein Vater auch schon die Hand. Die Ohrfeige, die seine gesamte rechte Gesichtshälfte traf, ließ ihn fast in die Knie gehen. »Und das war erst der Anfang«, knurrte Thaisen. »Rauf mit dir in meine Kammer, ich werde dich lehren, dich mit Gesindel herumzutreiben und dich am Eigentum anderer Leute zu vergreifen.«
    Arjen wusste nicht, was ihn härter traf: der Schlag ins Gesicht oder die Tatsache, dass sein Vater über Ruben und die ausgeliehene Kamera Bescheid wusste. Mit Tränen in den Augen stolperte er die Dielentreppe hinauf und begriff kaum, wie Thaisen ihn bäuchlings über die Bettkante legte, um sein Hinterteil mit dem Gürtel zu bearbeiten. Ent weder war es sein Schweigen, oder seinem Vater bekam die schwüle Wärme unter dem Dach nicht, jedenfalls ließ Thaisen überraschend früh von ihm ab und fiel in einen Sessel.
    »Dass mein eigen Fleisch und Blut eine solche Schande über mich bringt, mein einziger Sohn, nachdem ich so viel Sorgfalt in seine Erziehung gesteckt habe«, beklagte sich Thaisen, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Lügt und stiehlt und zieht die Ehre seines Vaters durch den Dreck. Wie konntest du mich nur so enttäuschen, Arjen?«
    Schwindelig vor Schmerz und noch mehr vor Entsetzen richtete Arjen sich wieder auf. Die Zunge klebte ihm aufgequollen am Gaumen und wollte sich beim besten Willen nicht rühren. Thaisen war ohnehin nicht auf eine Erklärung seines Sohns erpicht, dafür war er viel zu sehr mit seinem Gram beschäftigt.
    »Wahrscheinlich kannst du nutzloser Bengel nicht einmal ermessen, in welche prekäre Lage du mich gebracht hast, weil du keinen Respekt hast vor der geistlichen Position, die ich auf Beekensiel bekleide. Anders kann ich mir deine Gedankenlosigkeit, mich einem Mann wie Fred Denneburg ans Messer zu liefern, nicht erklären. Der Kerl ist heute Nachmittag rotzfrech in mein Büro spaziert und hat mir erzählt, was du in seinem Haus getrieben hast. Allerdings hat er mir diesen Besuch nicht abgestattet, um von einer Anzeige gegen dich zu berichten. Nein, die hatte er noch nicht erhoben. Bevor es so weit kam, wollte er mir noch einen Handel vorschlagen. Einen Handel! Ausgerechnet mir, dem Hirten dieser Gemeinde!« Thaisen sah unendlich gekränkt aus. Arjen konnte sich nicht erinnern, seinen Vater seit dem Tod seiner Mutter so in seinen Grundfesten erschüttert gesehen zu haben, sodass er über das rasch abnehmende Licht unterm Dach dankbar war. »Falls ich künftig davon absehen sollte, mich bei jeder Gelegenheit über seine ordinäre Partei zu mokieren, und vor der Gemeinde seinen Kirchenverweis zurücknehme, würde Denneburg den kleinen Zwischenfall vergessen und auch nichts darüber verlauten lassen, in wessen Gesellschaft sich mein Sohn he rumtreibt. Außerdem wirst du ab der nächsten Woche regelmäßig und mit großer Begeisterung an den Treffen der Hitlerjugend teilnehmen – das gehört ebenfalls zum Schweigepakt.«
    »Hast du seinem Vorschlag zugestimmt?« Arjens Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    Thaisen gab ein zustimmendes Grunzen von sich, das seinen ganzen Körper zum Erzittern brachte. Einen Augenblick befürchtete Arjen, sein Vater könnte sich erneut auf ihn stürzen oder – noch viel schlimmer – in Tränen über seine Schande ausbrechen. Stattdessen saß Thaisen einfach nur da und starrte ins Leere. »Mein eigener Sohn«, sagte er immer wieder.
    »Und der Junge, mit dem ich bei Denneburg war … Hat er den auch erwähnt?«
    Mit einem Knall schlug Thaisen auf die Sessellehne. »Ja, hat er! Diesen Rumtreiber, dem du bei seiner Räuberei geholfen hast. Den hat Jörg

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