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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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hatte.
    Wood ist noch vor Mitternacht gestorben. Trevelyan kam zu mir in die Zelle und hat mir persönlich gesagt, dass es losgehen könne. Dann hat er mir die Dinge gebracht, die ich brauchte. Am nächsten Morgen musste ich nur noch melden, dass sich meine Krankheit verschlimmert hätte. Trevelyan diagnostizierte eine Lebensmittelvergiftung und holte mich auf die Krankenstation. Ich habe sogar dabei geholfen, Wood in den Sarg zu legen. Das war auch nötig, denn Rivers hatte den Tag freibekommen. Ich zog seine Kleider an, setzte die rote Perücke auf und übernahm seine Rolle. Kurz vor drei Uhr nachmittags wurde der Sarg weggetragen, und dann brauchten wir nur noch zu warten. Es war alles eine Frage der Psychologie, Watson. Wir mussten Harriman dazu bringen, dass er die Arbeit für uns übernahm. Dazu wurde als Erstes mein tollkühnes, unerklärliches Verschwinden aus der verschlossenen Zelle inszeniert. Dann erhielt er die Information, dass da ein Sarg gewesen war, in dem eine Leiche weggeschafft worden war. Unter den gegebenen Umständen war ich mir sicher, dass er sofort die falschen Schlüsse ziehen würde. Er war sich so sicher, dass ich in dem Sarg lag, dass er keinen zweiten Blick auf den Krankenpflegerverschwendet hat, der angeblich dafür verantwortlich war. Er rannte los und ermöglichte mir damit meine Flucht. Es war Harriman, der verlangte, dass alle Türen sofort geöffnet wurden. Es war Harriman, der das ganze Sicherheitssystem aushebelte, mit dem ich eingesperrt werden sollte.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Mir ging es genauso. Ich habe Sie auch nie angesehen, Holmes, weil meine ganze Aufmerksamkeit auf den Sarg fixiert war.«
    »Ich muss zugeben, dass mich Ihr Auftauchen einigermaßen beunruhigte. Ich hatte plötzlich schreckliche Angst, Sie könnten etwas verraten. Und sei es nur die Tatsache, dass Sie Dr. Trevelyan schon kannten. Aber Sie waren großartig, Watson. Ohne Sie und Hawkins wäre es wahrscheinlich nie gelungen, Harriman so unter Druck zu setzen.«
    Das Augenzwinkern, mit dem er das sagte, versöhnte mich mit dem leisen Spott, aber ich war mir natürlich völlig im Klaren darüber, welche Rolle mir bei seiner Flucht zugekommen war. Ein Publikum war für Holmes genauso wichtig wie einem Schauspieler auf der Bühne, und je mehr Leute da waren, desto leichter fiel es ihm, seine Rolle zu spielen.
    »Aber was machen wir jetzt?«, fragte ich. »Sie sind flüchtig. Ihr Ruf ist beschädigt, und die Tatsache, dass Sie geflohen sind, wird alle Welt davon überzeugen, dass Sie schuldig sind.«
    »Sie malen ein sehr düsteres Bild, Watson. Ich für mein Teil würde sagen, dass sich die Umstände seit letzter Woche erheblich verbessert haben.«
    »Wo wohnen Sie denn?«
    »Habe ich Ihnen das nie gesagt? Ich habe in ganz London Notunterkünfte für Fälle wie diesen. Ich habe schon vor langer Zeit ein Zimmer ganz hier in der Nähe gemietet, und ich kann Ihnen versichern, dass es weit gemütlicher als das Quartier in Holloway ist.«
    »Trotzdem scheint es, dass Sie sich viele Feinde gemacht haben, Holmes.«
    »Das scheint tatsächlich der Fall zu sein. Wir müssen uns fragen: Was verbindet eigentlich solche disparaten Personen wie Lord Horace Blackwater, den Sprössling einer der ältesten englischen Familien, Dr. Thomas Ackland, den Wohltäter des Westminster Hospital, und Inspektor Harriman, der fünfzehn makellose Dienstjahre bei der Metropolitan Police hinter sich hat. Das ist die Frage, die ich mir stellen muss, ehe ich an einen Auftritt in den wenig freundlichen Räumlichkeiten von Old Bailey denken kann. Was haben die drei Männer gemeinsam? Nun, dass sie alle drei Männer sind, ist mal ein Anfang. Außerdem sind zwei von ihnen sehr wohlhabend und alle drei haben gute Beziehungen. Als Mycroft von einem möglichen Skandal sprach, hat er genau solche Leute gemeint. Ich habe gehört, dass Sie noch mal in Wimbledon waren?«
    Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, wie und von wem er das gehört haben sollte, aber das war jetzt nicht der beste Zeitpunkt, um solche Details zu erörtern. Ich nickte bloß und erzählte ihm, was ich dort erlebt hatte. Was ihn besonders interessierte, war die Krankheit von Eliza Carstairs und ihr gesundheitlicher Verfall.
    »Wir haben es mit einem kriminellen Geist von besonderer Heimtücke und Grausamkeit zu tun, Watson. Die Angelegenheit reicht sehr tief, und wir müssen diese Sache hier rasch zu Ende bringen, damit wir Edmund Carstairs noch einmal besuchen

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