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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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können.«
    »Sie glauben, die beiden Fälle haben etwas miteinander zu tun?«, fragte ich. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie etwas, das in Boston passiert ist, und selbst der Mord an Keelan O’Donaghue hier in London etwas mit dieser scheußlichen Affäre zu tun haben, in die wir jetzt verwickelt sind.«
    »Das liegt nur daran, dass Sie glauben, Keelan O’Donaghue sei tot«, erwiderte Holmes. »Nun, wir werden bald mehr darüber wissen. Als ich in Holloway war, habe ich nach Belfast telegrafiert –«
    »Die haben Ihnen erlaubt zu telegrafieren?«
    »Das war gar nicht nötig. Die kriminelle Unterwelt ist schneller und billiger. Und sie steht jedem zur Verfügung, der sich auf der falschen Seite des Gesetzes findet. In meinem Flügel gab es einen Fälscher mit Namen Jacks, den ich beim Hofgang kennengelernt habe. Vor zwei Tagen ist er entlassen worden. Er hat meine Anfrage mitgenommen, und sobald die Antwort da ist, fahren wir zusammen nach Wimbledon. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Was die drei Männer verbindet? Die Antwort ist offensichtlich: das House of Silk.«
    »Und was ist das House of Silk?«
    »Das weiß ich auch nicht. Aber ich glaube, ich kann Ihnen sagen, wo Sie es finden.«
    »Sie verblüffen mich, Watson.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Ich weiß es schon seit einiger Zeit. Trotzdem bin ich sehr gespannt auf Ihre Schlussfolgerungen – und wie Sie zu ihnen gelangt sind.«
    Seit es in meine Hände gelangt war, trug ich das Flugblatt bei mir. Ich zog es heraus und zeigte es meinem Freund. Dazu erzählte ich ihm von meinem Gespräch mit Fitzsimmons.
    »Dr. Silkin’s House of Wonders«, las er laut vor. Für einen Augenblick schien er überrascht, aber dann erhellte sich sein Gesicht. »Aber natürlich! Das ist genau das, was wir gesucht haben. Wieder einmal muss ich Ihnen gratulieren, Watson. Während ich im Gefängnis schmachtete, waren Sie wirklich sehr fleißig.«
    »Das war die Adresse, die Sie erwartet hatten?«
    »Jackdaw Lane? Nicht genau. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass wir dort die Antworten finden, die wir gesucht haben. Wie spät ist es jetzt? Fast ein Uhr. Ich würde annehmen, dass man sich so einem Ort besser im Schutze der Dunkelheit nähert. Wäre es Ihnen recht, wenn wir uns, sagen wir, in vier Stunden hier wieder treffen?«
    »Ich wäre sehr glücklich darüber, Holmes.«
    »Ich wusste, ich kann auf Sie zählen. Und ich würde anregen, dass Sie Ihren Armeerevolver mitbringen, Watson. Es liegt Gefahr in der Luft, und ich fürchte, es wird eine lange Nacht.«

18

Die Wahrsagerin
    Es gibt Zeiten, glaube ich, in denen man weiß, dass man das Ziel einer langen Reise erreicht hat. Selbst wenn es noch unsichtbar ist, weiß man doch, dass es gleich hinter der nächsten Wegbiegung liegt. So ging es mir, als ich zum zweiten Mal an diesem Tag zum Bag of Nails kam. Es war kurz vor fünf Uhr nachmittags, die Sonne war bereits untergegangen, und eine kalte, unbarmherzige Dunkelheit senkte sich auf die Stadt.
    Mary hatte geschlafen, als ich nach Hause kam, und ich hatte sie nicht geweckt, aber als ich in meinem Sprechzimmer stand, den schweren Dienstrevolver in meiner Hand wog und prüfte, ob er auch geladen war, fragte ich mich doch, was ein zufälliger Beobachter wohl über diese Szene gedacht hätte: ein angesehener Arzt in Kensington, der sich bewaffnete und mit geladenem Revolver auf die Jagd nach Verschwörern ging, die vor Rechtsbeugung, Folter, Entführung und Mord nicht zurückschreckten. Ich hatte die Waffe in meine Tasche geschoben, nach meinem Mantel gegriffen und war gegangen.
    Holmes war nicht länger verkleidet, wenn man von dem Hut und dem Schal einmal absah, mit denen er sein Gesicht verdeckte. Er hatte zwei Brandy bestellt, um uns gegen die Kälte zu wappnen. Ich rechnete damit, dass es schneien würde; als ich ankam, trieben schon ein paar Flocken im Wind. Wir redeten nicht viel, aber ich erinnere mich an die wohlvertraute fröhliche Entschlossenheit in seinem Gesicht und das Funkeln in seinen Augen, als wir die leeren Gläser zurück auf den Tisch stellten.Er war genauso entschlossen, die Sache zu Ende zu bringen, wie ich.
    »Also, Watson …?«, sagte er.
    »Ja, Holmes, ich bin bereit«, erwiderte ich.
    »Und ich bin froh, Sie wieder an meiner Seite zu haben.«
    Eine Droschke brachte uns hinunter nach Aldgate, und wir gingen den Rest des Weges zu Fuß. Den Sommer über gab es in jedem Dorf Jahrmärkte, und die Schausteller zogen weit über

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