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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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hinaufzukommen. Der Schnee schien jetzt sanfter zu sein, denn der Wind hatte nachgelassen. Ich war froh, mich wieder sammeln und Holmes ein paar Fragen stellen zu können.
    »Holmes«, sagte ich. »Seit wann haben Sie es gewusst?«
    »Die Sache mit dem House of Silk? Ich wusste schon, dass etwas nicht stimmte, als wir das erste Mal in Chorley Grange waren. Fitzsimmons und seine Frau sind begnadete Schauspieler, aber erinnern Sie sich, wie wütend er wurde, als dieser blondeJunge, Daniel, die Schwester von Ross erwähnte und uns zum Bag of Nails geschickt hat? Er hat es geschickt zu verdecken versucht, indem er so tat, als wäre er zornig, weil uns diese Information erst so spät erreicht hat. Aber in Wirklichkeit war er wütend, dass uns überhaupt jemand etwas erzählt hat. Auch das Gebäude gegenüber der Schule weckte mein Interesse. Die Wagenspuren in der Einfahrt deuteten darauf hin, dass hier schwere und teure Kutschen verkehrten. Es erschien mir eigenartig, dass die Besitzer solcher Luxusfahrzeuge das laienhafte Konzert von unbekannten Straßenkindern besucht haben sollten. Das war einfach unglaubwürdig.«
    »Aber Sie wussten nicht gleich …«
    »Damals noch nicht. Das ist eine Lektion, die ich bei diesem Fall gelernt habe, Watson. Bei der Verfolgung eines Verbrechens muss man sich als Detektiv manchmal von seinen schlimmsten Fantasien leiten lassen und auf diese Weise in die Gedanken der Verbrecher selbst eindringen. Aber es gibt Grenzen, die ein zivilisierter Mensch einfach nicht überschreitet. Das war hier der Fall. Ich konnte mir nicht vorstellen, was Fitzsimmons und seine Komplizen hier machten – aus dem einfachen Grund, dass ich es mir nicht vorstellen wollte. Ob es mir passt oder nicht, in Zukunft muss ich lernen, nicht mehr so heikel zu sein. Erst als wir den Leichnam des kleinen Ross fanden, wurde mir klar, dass wir uns in einer Arena bewegten, die ganz anders war als alles, was wir bisher kannten. Es waren nicht nur die grausamen Verletzungen, sondern auch das weiße Band an seinem Arm. Wer einem toten Kind so etwas antun konnte, musste vollkommen verdorben sein. So ein Mensch war zu allem fähig.«
    »Das weiße Band …«
    »Wie Sie gesehen haben, war es das Zeichen, an dem sich die Männer erkannten. Es erlaubte ihnen den Zugang zum House of Silk. Aber es hatte noch einen weiteren Zweck. Als sie es demToten ums Handgelenk banden, statuierten sie damit ein Exempel. Sie wussten, dass die Zeitungen darüber berichten würden, und dadurch wurde es zu einer Warnung. Es sollte zeigen, was denen drohte, die ihnen in die Quere kamen.«
    »Und der Name? Haben sie es deshalb das House of Silk genannt, Holmes?«
    »Das war nicht der einzige Grund. Ich fürchte, wir haben die Antwort die ganze Zeit vor der Nase gehabt. Aber das merkt man wohl nur im Nachhinein. Erinnern Sie sich noch, wie die Gesellschaft heißt, von der uns Fitzsimmons gesagt hat, sie unterstütze die Schule? The Society for the Improvement of London’s Children. Ich glaube, wir haben das House of SILC gesucht, nicht »Silk«. Wahrscheinlich ist diese sogenannte Wohltätigkeitsorganisation von denselben Leuten gegründet worden, die dort oben ihre perversen Bedürfnisse befriedigt haben, allein zu diesem Zwecke. Die Gesellschaft verschaffte ihnen die Fassade und zugleich auch den Apparat, mit deren Hilfe sie die Kinder sexuell ausbeuten konnten.«
    Wir hatten die Schule erreicht. Holmes gab dem Kutscher sein Fahrzeug zurück, mit einer Entschuldigung und einem sehr großzügigen Trinkgeld. Lestrade wartete an der Tür. »Wo ist Harriman?«, fragte er.
    »Er ist tot. Seine Kutsche hat sich überschlagen.«
    »Ich kann nicht behaupten, dass es mir leid tut.«
    »Wie geht es dem angeschossenen Beamten?«
    »Er ist schwer verletzt, Mr. Holmes. Aber ich hoffe, er wird überleben.«
    Es war mir zuwider, das Haus erneut zu betreten, trotzdem folgten wir Lestrade noch einmal ins Innere. Man hatte ein paar Decken heruntergebracht, um den verletzten Polizisten darin einzuhüllen, und das Klavier war natürlich verstummt. Aber abgesehen davon war alles wie zuvor. Mir schauderte, wenn ichdaran dachte, was sich hier abgespielt hatte, aber ich wusste, dass wir noch etwas erledigen mussten.
    »Ich habe Verstärkung angefordert«, sagte Lestrade. »Das ist eine hässliche Sache hier, Mr. Holmes, das kann ich gar nicht allein alles klären. Das werden meine Vorgesetzten tun müssen. Die Kinder haben wir in die Schule hinübergeschickt, wo zwei von

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