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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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Situation bereits äußerst umsichtig unter Kontrolle gebracht. Ich werde ihn für diese gute Leistung zur Beförderung vorschlagen. Er war es auch, der mich über die Identität des Mannes informierte, der hier vor Gericht steht. Wie Sie bereits gehört haben, hat Mr. Sherlock Holmes eine gewisse Reputation. Ich bin sicher, dass einige seiner Anhänger sehr enttäuscht sein werden, dass der wahre Charakter dieses Mannes, dessen Drogensucht mörderische Konsequenzen hatte, so gänzlich anders ist als die schönen Geschichten, die wir alle so genossen haben, uns glauben machen wollten.
    Dass Mr. Holmes die junge Sally Dixon ermordet hat, steht außer Frage. Selbst der wohlwollendste Biograph hätte Schwierigkeiten, seiner Fantasie irgendwelche Dinge zu entlocken, die bei seinen Lesern Zweifel daran wecken könnten. Noch am Tatort stellte ich fest, dass die Waffe in seiner Hand warm war, dass an seinem Hemdsärmel schwarze Spuren von Schießpulver und auf seinem Mantel kleine Blutspritzer zu sehen waren, die nur dorthin gelangt sein konnten, wenn er dicht neben dem Mädchen gestanden hatte, als sie erschossen wurde.Mr. Holmes war nur halb bei Bewusstsein, immer noch teilweise im Opiumrausch, und schien sich der Schreckenstat kaum bewusst, die er begangen hatte. Ich sage ›kaum bewusst‹, aber das heißt nicht, dass er nicht gewusst hätte, was er getan hatte. Er war sich seiner Schuld durchaus bewusst, Euer Ehren. Er sagte auch nichts zu seiner Verteidigung. Als ich ihm erklärte, dass ich ihn festnehmen müsse, machte er keinerlei Versuch, mich davon zu überzeugen, dass die Umstände seiner Tat in irgendeiner Weise anders gewesen sein könnten, als es hier dargestellt worden ist.
    Erst heute Morgen, nach acht Stunden Schlaf und einer kalten Dusche, kam er plötzlich mit einer verrückten Lügengeschichte, die seine Unschuld beweisen soll. Er behauptete, dass er Creer’s Place nicht etwa aufgesucht hatte, um seine Sucht zu befriedigen, sondern weil ihn seine Ermittlungen in einem Fall dorthin geführt hätten, dessen konkrete Einzelheiten er mir aber nicht mitteilen wollte. Er behauptete, ein Mann namens Henderson habe ihn nach Limehouse geschickt, dass sich dieser Hinweis aber als Falle erwiesen habe, denn sobald er Creer’s Place betreten hatte, sei er überwältigt und zum Konsum eines Rauschgifts gezwungen worden. Also, ich persönlich finde es merkwürdig, dass jemand eine Opiumhöhle besucht und sich dann beschwert, weil man ihm Drogen gegeben hat. Und da Mr. Creer seinen gesamten Lebensunterhalt damit bestreitet, dass er Drogen verkauft, ist es recht unwahrscheinlich, dass er sie plötzlich kostenlos hergibt. Aber wir wissen ja ohnehin längst, dass es eine Lügengeschichte ist, die Mr. Holmes da erzählt. Wir haben von einem sehr prominenten Zeugen erfahren, dass Mr. Holmes erst eine Pfeife geraucht und dann gleich noch eine zweite verlangt hat. Mr. Holmes behauptet übrigens auch, dass er das ermordete Mädchen gekannt und dass sie zu seiner mysteriösen Ermittlung gehört habe. Ich bin durchaus bereit,das zu glauben. Es kann sein, dass er ihr früher schon einmal begegnet ist und dass sie ihm in seinem Opiumrausch plötzlich als irgendein imaginärer Meisterverbrecher erschien. Irgendein anderes Motiv, sie zu töten, kann er wohl kaum gehabt haben.
    Im Übrigen kann ich nur noch hinzufügen, dass Mr. Holmes mittlerweile behauptet, er sei das Opfer einer Verschwörung, zu der nicht nur ich, Constable Perkins, Mr. Creer und Lord Horace Blackwater, sondern wahrscheinlich auch Sie, Euer Ehren, gehören. Ich würde das eine Wahnidee nennen, aber eigentlich ist es viel schlimmer als das. Es ist ein wohlüberlegter Versuch des Beschuldigten, sich den Konsequenzen seiner Tat zu entziehen, die wohl tatsächlich auf Wahnideen beruhte. So gesehen ist es sehr bedauerlich für Mr. Holmes, dass wir einen Zeugen haben, der den Mord gestern Nacht mit eigenen Augen gesehen hat. Seine Aussage, davon bin ich überzeugt, wird das Verfahren endgültig zum Abschluss bringen. Ich meinerseits kann nur sagen, dass ich in meinen fünfzehn Jahren bei der Metropolitan Police nie einen Fall erlebt habe, bei dem die Beweise eindeutiger waren und der Schuldige offensichtlicher.«
    Ich erwartete fast, dass er seinen Vortrag mit einer Verbeugung abschloss, aber er nickte nur einmal respektvoll zum Richter und setzte sich wieder.
    Der letzte Zeuge war Dr. Thomas Ackland. Ich hatte ihn in der Dunkelheit und Verwirrung der Nacht gar nicht

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