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Das Geheimnis des weißen Bandes

Das Geheimnis des weißen Bandes

Titel: Das Geheimnis des weißen Bandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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dass ich hier bin. Er hat mir sogar energisch davon abgeraten zu kommen. Aber ich schwöre Ihnen, Dr. Watson, ich werde wahnsinnig. Hat dieser Albtraum denn nie ein Ende, der unser aller Leben zerstört?«
    Wieder begann sie zu schluchzen, und ich saß hilflos daneben, bis die Tränen sich schließlich legten. »Vielleicht hilft es, wenn Sie mir erzählen, warum Sie gekommen sind«, schlug ich vor.
    »Ich erzähle es Ihnen. Aber werden Sie helfen können?« Plötzlich begann ihre Stimmung sich aufzuhellen. »Aber natürlich! Sie sind ja Arzt! Wir haben schon einige aufgesucht. Aber bei Ihnen ist das was anderes. Sie verstehen vielleicht, worum es geht.«
    »Ist Ihr Mann krank?«
    »Nein, nicht mein Mann. Meine Schwägerin, Eliza. Sie erinnern sich? Als Sie ihr begegnet sind, hat sie sich schon über Kopfschmerzen und andere Leiden beklagt, aber seitdem hat sich ihr Zustand abrupt verschlechtert. Edmund fürchtet jetzt, dass sie sterben könnte, und niemand weiß, was zu tun ist.«
    »Und weshalb hofften Sie, dass Sie hier Hilfe finden?«
    Mrs. Carstairs richtete sich auf ihrem Sessel auf, wischte sich die Tränen ab, und plötzlich spürte ich wieder jene innere Kraft, die mir gleich bei unserer ersten Begegnung aufgefallen war. »Meine Schwägerin und ich sind uns nicht zugeneigt«, sagte sie. »Ich will auch gar nicht so tun, als wäre es anders. Sie hat mich von Anfang an für eine Abenteurerin gehalten, die sich ihren Bruder geschnappt hat, als es ihm richtig schlecht ging, und jetzt ihre Krallen nach seinem Vermögen ausstreckt. Es interessiert sie nicht, dass ich durchaus genügend eigenes Geld hatte, als ich in dieses Land kam. Es interessiert sie nicht, dass ich Edmund an Bord der Catalonia gepflegt habe. Sie und ihre Mutter hätten mich auf jeden Fall gehasst, auch wenn ich jemand ganz anderes gewesen wäre. Sie haben mir nie eine Chance gegeben. Sie betrachten Edmund als ihr persönliches Eigentum, wissen Sie? Der jüngere Bruder, der liebende Sohn – die Vorstellung, dass er mit jemand anderem glücklich werden könnte, ertrugen sie nicht. Eliza behauptet sogar, ich wäre am Tod ihrer Mutter schuld. Ist das zu glauben? Ein tragischer häuslicher Unfall – das Erlöschen der Zündflamme ihres Gasofens – ist in ihrer Fantasie zum bewussten Selbstmord geworden. Als wäre die alte Dame lieber gestorben, als mich als neue Hausherrin zu akzeptieren. Auf gewisse Weise ist Eliza genauso verrückt wieihre Mutter. Ich würde es Edmund natürlich nie sagen, aber es stimmt leider. Warum haben sie nie akzeptieren können, dass er mich liebt? Warum haben sie sich nicht mit uns gefreut?«
    »Und diese neue Krankheit …?«
    »Eliza denkt, sie würde vergiftet. Schlimmer noch, sie denkt, ich wäre dafür verantwortlich. Fragen Sie mich nicht, wie sie auf diese Idee kommt. Es ist ein Wahnsinn.«
    »Weiß Ihr Ehemann von diesen Dingen?«
    »Natürlich. Sie hat mich ja beschuldigt, als wir alle zusammen im Zimmer saßen. Der arme Edmund! Ich habe ihn noch nie so durcheinander gesehen. Er wusste gar nicht, was er sagen sollte – denn wenn er meine Partei ergriffen und sich gegen sie gestellt hätte, wer weiß, ob sie dann nicht völlig durchgedreht wäre. Es war ihm entsetzlich peinlich, aber sobald wir allein waren, kam er natürlich gleich zu mir und bat um Vergebung. Eliza ist krank, daran besteht kein Zweifel. Edmund ist der Ansicht, dass ihre Wahnvorstellungen Teil dieser Krankheit sind, und damit könnte er durchaus recht haben. Trotzdem ist die Situation nahezu unerträglich für mich. Ihre gesamte Nahrung wird jetzt schon in der Küche getrennt zubereitet und von Kirby direkt in ihr Zimmer hinaufgetragen, der streng darauf achtet, dass sie keinen Augenblick unbeobachtet bleibt. Edmund teilt ihre Mahlzeiten. Er tut so, als würde er ihr Gesellschaft leisten, aber in Wirklichkeit fungiert er bloß als ihr Vorkoster, als wäre sie eine römische Kaiserin. Vielleicht sollte ich dafür dankbar sein. Seit einer Woche hat er jetzt alles gegessen, was sie isst, und es geht ihm ganz blendend dabei, während sie immer kränker wird. Wenn ich ihr also tatsächlich tödliche Nachtschatten-Gifte ins Essen tun würde, dann wäre es ein Rätsel, warum ihm das nichts ausmacht und sie die Einzige ist, die darunter leidet.«
    »Was glauben denn die Ärzte, was ihrer Krankheit zugrunde liegt?«
    »Sie sind völlig ratlos. Erst dachten sie, es wäre Diabetes, dann haben sie auf Blutvergiftung getippt. Jetzt fürchten sie das

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