Das Geheimnis meiner Mutter
des Windes –, und die volle Bedeutung ihrer Worte traf ihn wie eine Kugel aus nächster Nähe.
Ich bin schwanger.
Daisy war schwanger. Seine Tochter, sein kleines Mädchen, stand hier und sagte ihm, dass sie schwanger war.
Nur ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Heilige Scheiße. Oberheilige Oberscheiße. Die Worte rasten durch sein Gehirn, bis sie ihre Bedeutung verloren.
Er sah die Loipe im Schnee zwischen ihnen. Eine Trennlinie. Noch vor zehn Sekunden hatte er darum gekämpft, ein Vater zu sein. Jetzt war er – oh, heiliger Jesus, Maria und Josef – kurz davor, ein achtunddreißigjähriger Großvater zu werden. Mist. Mist. Mist.
All die typischen Fragen stiegen in seiner Kehle auf. Wie ist das passiert? Bist du sicher? Wie konntest du nur so unvorsichtig sein? Aber während die Worte noch durch seinen Kopf purzelten, merkte er, dass sie einfach nur als Fragen getarnte Vorwürfe waren.
Fragen, deren Antworten er bereits kannte.
Wie es passierte, war Grundwissen in Biologie.
War sie sicher? Guter Gott, nur absolute Sicherheit würde einen dazu bringen, es seinem Vater zu sagen. Auf gar keinen Fall hätte sie diese Bombe platzen lassen, wenn sie sich nicht tausendprozentig sicher wäre.
Und wie hatte sie so unvorsichtig sein können? Sie war siebzehn. Genau das taten Teenager nun einmal: dumme, unvorsichtige Sachen. Er hatte sie selber gemacht. War wild gewesen, vielleicht sogar wilder als Daisy. Und wie sie war er seiner eigenen Wildheit in die Falle gegangen. Er und Sophie hatten sich kennengelernt, als sie beide Betreuer im Camp Kioga gewesen waren, direkt nach dem ersten Jahr am College. Es war kein großes Geheimnis, dass sie hatten heiraten „müssen“. Jeder, der die Zeit zwischen ihrer Hochzeit und Daisys Geburt nachrechnete, konnte es herausfinden. Und jetzt war Daisy in der gleichen verdammten Situation. Mist. Mist. Mist.
„Daddy“, fragte sie mit rauer Stimme. „Sag doch was.“
„Ich stehe hier und denke ‚So ein Mist‘“, gab er zu. „Weiter bin ich noch nicht gekommen.“ Er steckte einen Skistock in den Schnee. „Verdammt, Daisy. Wie zum Teufel konntest du nur …“ Er unterbrach sich. Die Worte hallten über den leeren Golfplatz und erstarben. Er wusste genau, wie sie gekonnt hatte … so, wie alle Kinder es seit Anbeginn aller Zeiten taten. Ehrlich, dachte er. Sei ehrlich. Sag ihr, wie beschissen das ist. Nein, tu’s nicht. Das weiß sie bereits. „Was, äh, was nun?“, fragte er stattdessen.
„Ich habe Montag einen Termin beim Arzt“, sagte sie.
„Du bist bisher noch bei niemandem gewesen?“
„Nein. Ich habe einen Schwangerschaftstest aus der Apotheke gemacht. Ungefähr vier Mal. Ich habe immer gehofft, dass er falsch ist, aber …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Dann war ich so panisch, dass ich nichts gesagt hab.“
„Zu niemandem?“
„Nein. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, Nina Romano hat es vielleicht erraten.“
Gott. Ausgerechnet Nina. Er verspürte einen Anflug von Wut darüber, dass eine Fremde das Geheimnis eher gekannt hatte als er. Wie geht es Daisy denn? Das war es, was Nina heute Morgen in der Bäckerei wirklich gefragt hatte: Wie geht es deiner schwangeren Teenager-Tochter?
„Ich habe es ihr nicht erzählt“, wiederholte Daisy. „Ich habe kein Wort gesagt, aber ich konnte auch nicht lügen. Ich war noch nie eine besonders gute Lügnerin.“
Das stimmte. Ein Grund, warum sie sich immer so viel Ärger einhandelte, war, dass sie dazu neigte, alles zuzugeben.
„Hast du darüber schon mit deiner Mutter gesprochen?“
„Nein.“
Das war eine Überraschung. Sie hatte es Greg erzählt, aber nicht Sophie. „Das wirst du aber müssen.“
„Ich weiß.“
„Und, äh, dem Jungen.“ In Greg rührte sich so etwas wie mörderische Wut. Wenn der kleine Scheißer jetzt hier wäre, würde er ihn eigenhändig ganz langsam und qualvoll töten. „Wer ist es überhaupt?“
„Logan O’Donnell“, sagte sie.
O’Donnell, O’Donnell, O’Donnell. Oh Gott. „Der Sohn von Al O’Donnell.“
Sie nickte.
Großartig. Das war eine der reichsten, irischstämmigen Familien von New York, die ihr Vermögen im Schiffsfrachtgewerbe gemacht hatten. Die O’Donnells waren reich, mächtig und erzkatholisch.
Wieder zwang Greg sich, nichts zu sagen. Erst musste er herausfinden, was Daisy für den Jungen empfand. Für den kleinen Scheißhaufen, der sie geschwängert hatte.
Sie fing an zu reden. Ihre Stimme klang klar in der durch den Schnee
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