Das Geheimnis meiner Mutter
mit den Worten ‚Liebe Mom‘ begonnen. Das war meine Art, sie für mich real zu machen. Obwohl ich seit zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren nichts von ihr gehört hatte, war sie für mich immer real, die Person, der ich alles erzählt habe, die immer da war, wenn ich sie brauchte.“
„Jen, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Außer dass wir herausfinden werden, was mit ihr passiert ist. Ich schwöre, ich werde nicht eher ruhen, bis wir es wissen.“
Sie war gespenstisch ruhig, auch wenn er vermutete, dass in ihrem Inneren einiger Aufruhr herrschte. Sie räusperte sich, und ihr Blick glitt zur Seite. Erneut hatte er das Gefühl, dass sie sich irgendwie schuldbewusst verhielt.
„Oh, was das betrifft“, fing sie an. „Meine Mutter hatte ein Geheimnis. Ich habe es gerade erst erfahren.“ Sie stand auf und ging zum Tisch hinüber. Neben ihrem Laptop stand eine rostige Angelkiste, die ganz verrußt war. Vermutlich war sie eines der Dinge, die aus dem Feuer gerettet worden waren. Jenny reichte Rourke eine Untertasse, auf der, wie es aussah, eine Handvoll kleiner Steine lagen. „Ich denke, das sind Diamanten“, sagte sie. „Beziehungsweise, seitdem ich Laura angerufen habe, bin ich mir ziemlich sicher. Und ich denke, was immer meiner Mutter zugestoßen ist, hat etwas hiermit zu tun.“
Rourke nahm einen der Steine in die Hand, während sie ihm erklärte, dass sie in den Bleigewichten fürs Angeln versteckt gewesen waren, die ihre Mutter zu Hause selber hergestellt hatte.
Ein Schauer überlief ihn, als er die Möglichkeiten bedachte. Mariska war im Besitz eines geheimen Vermögens gewesen, und sie hatte sich selbst in Gefahr gebracht. „Wir werden uns die Echtheit der Steine bestätigen lassen müssen“, sagte er. Aber die Gänsehaut auf seinen Armen sagte ihm, dass Jenny recht hatte.
Sie stand am Tisch und sah so klein und verloren aus. „Ich war so böse auf meine Mutter“, sagte sie endlich. „Ich habe ihr vorgeworfen, weggegangen und nie wiedergekommen zu sein. Ich … ich weiß nicht, was ich jetzt fühlen soll.“ Sie verschränkte ihre Arme unter der Brust, als wenn sie sich selber zusammenhalten müsste.
Rourke war sich sicher, dass er ein elender Hundesohn war. Denn als er sie so sah, spürte er mit einem Mal eine solche Lust für diese Frau in sich. Das war nichts Neues, aber in diesem Augenblick, inmitten einer Tragödie, konnte er nur daran denken, sie ins Bett zu kriegen? Das hatte er schon einmal getan, damals, als sie dachten, Joey wäre gestorben. Und nun tat er es wieder. Er informierte sie über eine weitere Tragödie – und wollte sie immer noch. Rourke war der Sensenmann mit einem Steifen.
„Warum siehst du mich so an?“, fragte Jenny.
„Das willst du nicht wissen.“
ESSEN FÜR DIE SEELE
von Jenny Majesky
DER FRÜHLING KOMMT
In Polen ist der Donnerstag vor Beginn der Fastenzeit als Tlusty czwartek (Fetter Donnerstag) bekannt. Wenn der Tag kommt, wissen wir, dass der Frühling nicht mehr weit ist.
Es ist Tradition, an diesem Tag Mazurki zu essen, was ganz dünne Küchlein sind. Jede Mutter reicht das Rezept an ihre Tochter weiter, und so wandert es durch die Generationen. Die Familie versammelt sich und teilt die Mazurki, und erhitzte Diskussionen entspinnen sich darüber, wem welches am besten schmeckt. Dieses Rezept hier gewinnt beinahe jedes Mal:
Mazurek
Tasse ungesalzene Butter
120 g geschmolzene Schokolade (Kakaoanteil 50 – 60%)
1 Tasse Zucker
3 Eier
1 TL Vanille
TL Salz
2 EL Milch
2 Tassen Mehl
Guss aus 1 Tasse Puderzucker und 1– 3 EL Milch
gehackte Walnüsse oder Pekannüsse zur Garnierung
Ofen auf 175 °C vorheizen. Butter verrühren, geschmolzene Schokolade und Zucker zugeben und gut mischen. Ein Ei nach dem anderen unterrühren. Vanille, Salz und Milch zugeben und gut vermengen. Langsam das Mehl hinzugeben und gut rühren, damit es keine Klümpchen gibt. In eine 38 x 25 x 2,5 cm große Form füllen und ungefähr 20 Minuten backen. Den Guss darüber träufeln und mit den gehackten Nüssen verzieren. In eckige Stücke schneiden und servieren.
31. KAPITEL
1998
R ourkes Samstagabendschicht hatte gerade begonnen, als er einen persönlichen Anruf erhielt. Er nahm ihn am Tisch des diensthabenden Sergeants an und schaute dabei aus dem Fenster auf das trostlose, stürmische Wetter. „Officer McKnight am Apparat.“
„Ich bin’s, Mann“, sagte eine willkommene Stimme. „Endlich zu Hause.“
„Joey.“ Rourke schloss die Augen und dachte, Gott sei
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