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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Dank. Joey war endlich wieder daheim. Nach dem Missgeschick, das zu der Meldung geführt hatte, er wäre tot, war Joey ins Medizinische Zentrum Landshut in Deutschland gebracht worden. Hier hatte er mehrere Operationen über sich ergehen lassen müssen, um sein Augenlicht zu retten, aber es hatte alles nichts genützt. Er war ins Walter Reed Hospital überstellt und schließlich ehrenhaft entlassen worden.
    „Jupp, der bin ich“, sagte er. „Auch bekannt unter dem Namen ‚Der Glückspilz‘.“
    Rourke spürte die bittere Ironie hinter den Worten seines Freundes. Joey hatte in der Nacht viel verloren. Seine Waffenbrüder, die er mit unerschrockener Wildheit geliebt hatte, und sein rechtes Auge. Es überraschte nicht, dass der Vorfall ihn verändert hatte. In seinen E-Mails und Anrufen war eine neue, harte Skepsis zum Vorschein gekommen.
    „Wo bist du?“, fragte Rourke.
    „In Kingston, am Bahnhof. Der nächste Zug fährt erst in einer Stunde. Ich bräuchte eine Mitfahrgelegenheit nach Avalon. Ich habe vor, die kleine Frau zu überraschen, weißt du? Sie mag Überraschungen.“
    Rourkes Mund wurde ganz trocken. Was in jener Nacht zwischen ihm und Jenny passiert war, war ein großer Fehler gewesen. Die gemeinsame Trauer hatte sie schwach werden lassen, aber das war keine Entschuldigung. Doch das Schlimmste war, er würde es sofort wieder tun, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, auch wenn die Schuld jedes Mal an ihm fraß, wenn er nur daran dachte.
    Bis zu der Nacht hatte er nicht gewusst, dass Sex so mächtig sein konnte, beinahe wie eine Besessenheit. Und er hatte nicht gewusst, wie wichtig das war oder wie zerstörend, wenn es einem wieder genommen wurde. Er hatte sich jedoch willentlich ergeben. In der Sekunde, in der Joey am nächsten Morgen angerufen hatte und sie ihren Fehler bemerkten, hatte ein Übelkeit erregendes Schuldbewusstsein Rourke und Jenny gepackt, und seitdem waren sie sich wenn möglich aus dem Weg gegangen. Keiner war sicher, ob Joey herausgefunden hatte, was passiert war, aber die Möglichkeit verfolgte sie. Sie hatten ihn auf die schlimmstmögliche Art und Weise verraten.
    „Also, was sagst du“, hakte Joey nach.
    „Hast du getrunken, Joey?“, fragte er.
    „Hey, ich bin ein Soldat. Ein Veteran. Ein einäugiger Veteran. Natürlich habe ich getrunken. Wie wär’s, wenn du dich hier vorbeischwingst und mich abholst?“
    Ein Weg von dreißig Meilen war etwas mehr als ein „Vorbeischwingen“. Rourke schaute sich im Revier um. „Ich bin im Dienst. Ich muss erst den Sergeant fragen …“
    „Ach, komm schon“, sagte Joey. „Du bist doch sowieso im Streifenwagen unterwegs. Also kannst du genauso gut in diese Richtung fahren.“
    „Bleib kurz dran, ich frag mal nach.“
    „Seit wann fragt der große Rourke McKnight denn um Erlaubnis?“ Joey klang streitlustig. „Normalerweise bedienst du dich doch einfach.“ Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu: „Weißt du was? Ich muss doch nicht abgeholt werden. Vergiss es einfach.“
    „Joe…“
    „Wir sehen uns später.“ Damit legte er auf.
    Rourke starrte wütend auf den Telefonhörer. Das Gespräch hatte ihn beunruhigt. Kurz verspürte er den Impuls, bei Jenny vorbeizufahren und sie vorzuwarnen. Er entschied sich dagegen. Joey wollte sie überraschen, und auf gar keinen Fall würde Rourke ihm diese Überraschung ruinieren. Okay, dachte er. Er würde gucken, ob es eine Möglichkeit gab, zu Joey zu fahren und ihn nach Hause zu bringen.
    Doch innerhalb weniger Sekunden kam ein Anruf, und er musste zu einer kleinen Schlägerei in den Round-Table-Arms-Apartments. Ein Nachbar hatte sich über den Lärm eines Familienstreits beschwert, was in diesem Stadtteil leider nur allzu häufig vorkam. Als Rourke jedoch sah, dass es sich um das Haus der Taylors handelte, machte er sich sofort auf. Grady Taylor war ein gemeiner Hurensohn, wenn er trank, und in der Familie gab es auch Kinder. Rourke hasste Männer, die ihre Frauen und Kinder schlugen, hasste sie mit einer Inbrunst, die ihn weitaus gefährlicher machte als jeden betrunkenen Fäusteschwinger.
    Er raste durch den strömenden Regen. Das Heck des Streifenwagens brach auf der nassen, öligen Straße immer wieder aus. Er meldete sich in der Vermittlung und rannte dann eine Eisentreppe hinauf. Der Streit war immer noch in vollem Gange – die tiefe Stimme eines Mannes und die weinerlichen, streitlustigen Töne eines Teenagers. Rourke klopfte mit dem Schlagstock gegen die Tür, die sofort

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