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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Blütezeit der amerikanischen Wirtschaft Ende des 19. Jahrhunderts. Die Einfahrt zum Camp markierte ein Torbogen aus Holz und Schmiedeeisen, der sich über eine schmale Schneeverwehung spannte, die hinauf zum Haupthaus führte. Unter dem Schnee versteckt lagen Sportplätze und Geräteschuppen. Ein Bootshaus stand direkt am See, der zu einem riesigen, flachen weißen Feld gefroren war.
    Alles schien sich im Winterschlaf zu befinden. Schneewehen bedeckten die Eingangsstufen zu den aus Holz gebauten Schlafbaracken und Hütten. Am Dach des Pavillons, der auf der Insel mitten im See stand, hingen Eiszapfen. Jenny spürte, wie die undurchdringliche Ruhe und die wie aus Zuckerwatte gemachte Landschaft sie in ihren Bann zogen. Sie hatte das einsam gelegene Camp noch nie im Winter gesehen, und es kam ihr einfach nur magisch vor.
    Connors Truck blieb vor einem der Geräteschuppen stehen. Greg machte das Tor des Schuppens auf, und innerhalb kürzester Zeit hatten sie alles in dem großen Holzgebäude untergebracht.
    „Es ist so schön hier“, sagte Jenny. „Ich bin froh, dass Olivia und du euch entschlossen habt, es wiederzueröffnen.“
    „Eines Tages wird es das ganze Jahr über geöffnet haben“, sagte Connor.
    Jenny bemerkte, dass Rourke ein wenig abseits stand und wie in Erinnerungen verloren auf den See hinausschaute. Er hatte einige Sommer hier verbracht, gemeinsam mit Joey. Hier im knöcheltiefen, eiskalten Wasser des Sees hatten sie nebeneinandergestanden, Steine flitschen lassen und jeden einzelnen Sprung gezählt. Und dort am Dock war der Startpunkt für ihre Wettschwimmen gewesen. An einem Baum, dessen starke Äste weit über die Wasseroberfläche hinausragten, war ein Seil befestigt gewesen, und sie hatten einander gegenseitig herausgefordert, wer sich daran höher oder weiter schwingen und tiefer ins Wasser eintauchen konnte. Zwischen ihnen war alles immer ein Wettbewerb gewesen.
    Sie versuchte, sich an den Moment zu erinnern, an dem die Rivalität angefangen hatte, die einen unausgesprochenen Graben in ihre Freundschaft gerissen hatte. War es der Augenblick, als sie drei sich das erste Mal getroffen hatten? War es unsichtbar gewesen, wie Magma in einer unterirdischen Leitung, das sich seinen Weg nach oben suchte?
    Greg trat einen Schritt zurück und betrachtete die aufeinandergestapelten beschrifteten Kartons. „Das ist alles.“
    „Danke noch mal.“ Jenny weigerte sich, daran zu denken, dass sich alles, was sie besaß, in diesen Kartons befand. Dass sie eines Tages in der näheren Zukunft – vielleicht Anfang des Frühlings, wenn das Tauwetter einsetzte – sich jedes einzelne Teil ansehen und über sein Schicksal entscheiden musste. Sollte sie Grannys uralten, verbogenen Schneebesen behalten, die Angelbox ihres Großvaters, einen Aschenbecher, den ihre Mutter als Kind getöpfert hatte?
    Es begann, leicht zu schneien, und Jenny hob ihr Gesicht zum Himmel. Sie spürte, wie die Schneeflocken ihre Wangen und ihre Stirn berührten. Es wird alles gut, sagte sie sich. Die Welt war schön, und ihr standen alle Wege offen.
    „Wir sollten besser zurückfahren“, sagte Connor und ging zu seinem Truck.
    „Treffen wir uns doch unten in der Bäckerei“, schlug Jenny vor. „Ich habe noch ein paar Dinge im Büro zu erledigen und gebe euch vorher noch einen Kaffee und Kuchen nach Wahl aus.“
    „Ich würde gerne ein anderes Mal darauf zurückkommen“, sagte Connor. „Ich muss zurück an die Arbeit.“
    „Ich auch“, sagte Greg. „Aber wir sehen uns Samstag, oder? Zum Abendessen?“
    „Natürlich.“ Ihr Vater Philip kam am Wochenende aus der Stadt, um sie zu sehen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie nichts brauchte und alles okay wäre, aber er hatte darauf bestanden.
    Nachdem Connor und Greg gefahren waren, gingen auch Rourke und Jenny langsam zu ihrem Auto zurück. Sie schauten ein letztes Mal auf den See. „Es ist so schön hier“, sagte sie. „Ich fühle mich ganz … nostalgisch. Du nicht auch?“
    „Vielleicht“, sagte er. „Ein wenig.“ Er beschleunigte seinen Schritt, und sie merkte, dass er sich verschloss. Das ist vielleicht auch ganz gut so, dachte sie. Sie waren noch nie besonders gut darin gewesen, über Dinge zu sprechen, die wirklich wichtig waren.

9. KAPITEL
    J  enny hatte einen ihr endlos vorkommenden Nachmittag im Rathaus damit verbracht, Formulare auszufüllen, um verloren gegangene Dokumente neu zu beantragen. Zum Glück war Nina Romano zwischendurch auf einen Plausch zu ihr

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