Das Geheimnis meiner Mutter
Mariska – die natürlich auch wunderschön war, aber auf eine ganz andere, dunklere und sinnlichere Art.
„Hey Jungs, danke, dass ihr gekommen seid“, grüßte Jenny die beiden.
„Kein Problem“, versicherte ihr Greg.
Als sie die beiden Rourke vorstellte, überlegte sie, dass die drei Männer zusammen aussahen wie eine Fantasie, aus der eine Frau nicht aufwachen wollte. Jeder war groß, stark, sexy. Und irgendetwas am Umgang mit schwerem Gerät und Arbeit, die an der frischen Luft getan werden musste, schien den Testosterongehalt ganz schön in die Höhe zu treiben.
„Ich weiß das sehr zu schätzen“, sagte sie. „Seid ihr sicher, dass es okay ist, den ganzen Kram ins Camp zu bringen?“
„Sicher“, erwiderte Connor. „Da oben ist nichts außer Platz. Und im Winter wohnt dort auch niemand.“
„Das hilft mir echt sehr. Ich wollte alles in die Garage stellen, aber die ist auch beschädigt worden und wird mit dem Rest zusammen niedergerissen.“ Ihr war immer noch ein wenig schwindelig von dem Gedanken, dass sie nun kein Zuhause mehr hatte, keinen Ort, an dem sie ihre Sachen aufbewahren konnte – oder zumindest das, was davon übrig geblieben war. Sie waren übereingekommen, dass Connor den Pick-up zum Camp fahren würde und Rourke und Jenny ihm im Lieferwagen folgten. Die Privatstraße durch den Wald konnten sie nur im Schneckentempo bewältigen, und der Schneepflug blies weiße Fontänen zu beiden Seiten, während er den Weg frei räumte.
„Ich kann nicht glauben, wie nett alle sind“, sagte Jenny.
„Es ist nicht schwer, nett zu dir zu sein.“
„Helft ihr mir deshalb alle? Weil ihr nett sein wollt?“
„Ich bin nicht nett“, widersprach er. „Das solltest du eigentlich wissen.“
Sie beide hatten in der Vergangenheit Fehler gemacht. Jenny wurde immer wieder von Bedauern heimgesucht, während Rourke unter einer uralten Schuld litt, die sich tief in sein Herz gegraben hatte. Das war der Grund dafür, dass sie sich so voneinander entfernt hatten. Aber da sie nun wieder so viel Zeit miteinander verbrachten, fühlte sie sich berechtigt, die alten Geschichten anzugehen. „Du wirst dir niemals für Joey vergeben, oder?“, sprach sie gleich das heikelste Thema an. „Was müsste dafür geschehen, Rourke?“
Er hielt den Blick strikt auf die Straße vor sich gerichtet. „Interessante Frage, gerade aus deinem Mund.“
„Das ist keine Antwort.“
„Okay, wie wäre es damit: Vielleicht habe ich mir nie wegen Joey vergeben, weil einige Dinge … einfach nicht zu verzeihen sind. Man versucht einfach, weiterzumachen und damit zu leben.“
Und den Rest dieses Lebens damit zu verbringen, Buße zu tun, überlegte sie. Aus irgendeinem Grund fiel ihr Die Schöne und das Biest ein – und zwar die tobende, gewalttätige französische Version, nicht der blitzsaubere Disneyfilm. Im Original wurde die Wut des Biests von der bedingungslosen Liebe der Heldin gestillt, doch kam die Erlösung mit so viel Schmerz und Opfern auf beiden Seiten, dass sie sich fragte, ob der Kampf sich überhaupt gelohnt hatte.
Den Rest der Fahrt über blieb sie still. Das südliche Ende des Sees lag nahe an der Stadt. Gemütliche Hütten, von denen die meisten im Winter geschlossen waren, drängten sich nebeneinander am Ufer. Die überfrorenen Docks, auf denen der Schnee meterhoch lag, ragten in ein grellweißes Feld. Sie fuhren am Inn at Willow Lake vorbei, einem Haus aus dem 19. Jahrhundert, in dem es Gerüchten zufolge spukte. Als Kinder waren Jenny und Nina oft mit ihren Fahrrädern an dem Haus vorbeigefahren und hatten darüber spekuliert, wer wohl darin herumgeisterte. Nina sagte immer, dass das Inn eines Tages ihr gehören würde, aber als sie mit Sonnet schwanger wurde, hatte ihr Leben eine völlig andere Richtung eingeschlagen.
Der See wand sich durch ein tiefes Tal, das schnell in Wildnis überging, und schon bald gab es nichts weiter zu sehen als den winterlichen Wald, der am Autofenster vorbeizog. Die überirdische Perfektion und Stille der Landschaft faszinierten sie. Die dünnen Bäume sahen aus wie Tuschezeichnungen vor dem weißen Hintergrund aus Schnee, der von Tierspuren durchzogen war. Meisen und Kardinäle flogen zwischen den Zweigen hindurch. Als sie Camp Kioga erreichten, fühlte sie sich, als trennten sie Welten von ihrem normalen Leben und nicht nur wenige Meilen.
Früher waren die Reichen hierher in die Sommerfrische gekommen, und so erinnerte der Stil des Camps an das Vergoldete Zeitalter, die
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