Das Geheimnis meiner Mutter
Zach.“
„Okay.“ Er klang müde und weit älter, als er war. „Ich weiß aber schon, was er sagen wird. Er braucht nur noch ein kleines bisschen mehr Zeit. Da wartet schon dieser große Jackpot mit seinem Namen darauf, und wenn er den erst einmal in der Hand hat, wird er sich um nichts mehr Sorgen machen müssen.“ Jetzt endlich hob Zach den Kopf und sah Jenny an. In seinen Augen, diesen ungewöhnlich blassen Augen, schimmerte eine Welt des Schmerzes. „Ja, bestimmt“, sagte er.
16. KAPITEL
D aisy war dazu erzogen worden, viel von sich zu erwarten. Sie genügte ihren eigenen Ansprüchen nie, und es gelang ihr, wieder und wieder von sich selbst enttäuscht zu sein. Daher war die Arbeit in der Bäckerei eine Überraschung. Sie gefiel ihr, und sie war sogar gut darin, was für sie etwas ganz Neues war. Ihr wurde bewusst, dass es vielleicht gar nicht an ihr lag. Vielleicht war das Problem vielmehr, dass sie versuchte, die Erwartungen anderer Leute zu erfüllen.
„Du siehst glücklich aus“, sagte Zach, als er eines der Regale an ihr vorbei auf die Laderampe schob.
„Das bin ich auch.“ Sie ging mit ihm hinaus in die kalte Winterluft. „Ich meine, es ist total verrückt, aber ich mag es, hier zu arbeiten – die Gerüche, die anderen Mitarbeiter, die Kunden. Ich finde es toll.“
Er grinste sie an. „Stimmt – du bist verrückt.“
„Aber dann ist es eine gute Art von Verrücktheit. Ich hatte schon viele Jobs und habe sie alle gehasst. Weißt du, in meiner Schule in der Stadt mussten wir alle möglichen Praktika machen, um verschiedene Berufe kennenzulernen. Aber es waren alles nur die ‚richtigen‘ Jobs. Wall Street, PR, Anwaltskanzleien, Politik. Auf keinen Fall hätte man jemanden zum Arbeiten in eine Bäckerei geschickt.“
Er zog die Hecktür des Lieferwagens herunter und schloss sie ab. Sie hatten beschlossen, in ihrer Pause ein wenig spazieren zu gehen, weil Daisy ein paar Fotos machen wollte. Kurz nachdem sie losgegangen waren, holte Zach eine Zigarette heraus. Sie nahm sie ihm aus der Hand, bevor er sie anzünden konnte. „Oh nein, das wirst du nicht tun“, warnte sie ihn.
„Oh, großartig, bist du so eine Art radikaler Nichtraucher oder was?“
„Ehemalige Raucherin“, gab sie zu.
„Du?“
Daisy wusste, was er dachte. Sie sah aus wie das typische amerikanische Mädchen, die Sorte, die nichts falsch machen konnte. Was genau der Grund war, weshalb sie immer mit so vielen Dingen durchgekommen war.
„Ja, ich“, sagte sie. „Und das besonders Dumme daran war, ich wusste nicht nur, dass es mich töten könnte, sondern auch, dass es meine Eltern in den Wahnsinn treiben würde.“
„Hat’s funktioniert?“, fragte er. „Sind sie wahnsinnig geworden?“
„Nein“, sagte sie mit einem bitteren Lachen. „Sie haben sich zwar gegenseitig verrückt gemacht, aber mich haben sie einfach nur ignoriert.“ Scheidungen hatten diesen Effekt auf die Kinder, egal, wie sehr man auch versuchte, es für sie erträglich zu machen. Die Wahrheit war, wenn ein verheiratetes Paar den emotionalen Prozess durchlief, den eine Trennung mit sich brachte, wurden die Kinder beiseitegeschoben.
Sie blieben im Stadtpark stehen, der wie eine Studie in Schwarz und Weiß vor ihnen lag – der schmiedeeiserne Zaun, die Bänke und Tische vor dem gleißend weißen Schnee. Die Stahlrohre der Schaukel. Der schwarze Granit der Statue des Gründers von Avalon. Daisy nahm ihre Kamera zur Hand. Zach schnappte sich seine Zigarette und zündete sie an.
Daisy tat unbeeindruckt, auch wenn sie zugeben musste, dass er auf eine etwas verruchte Art sexy aussah. „Lehn dich mal gegen den Baum da“, sagte sie. „Ich will ein Foto von dir machen.“
Er zuckte mit den Achseln und tat ihr den Gefallen. Langsam gewöhnte er sich daran, dass sie immerzu Fotos machte, und gab sich vor der Kamera ganz entspannt.
Sie machte gleich eine ganze Serie von Fotos. Zach hatte ein interessantes Gesicht – knochige Winkel wurden von vollen Lippen ausgeglichen; dazu kamen die dichten weißblonden Haare. Eingehüllt in Zigarettenrauch sah er gleichzeitig intensiv und irgendwie auch sehr traurig aus.
„Sehr wie aus … denn sie wissen nicht, was sie tun “, sagte sie und machte ein Profilfoto. Er schaute in die Ferne zu einem Punkt, den sie nicht sehen konnte, und eine kleine Helix aus Rauch stieg von der Zigarettenspitze auf.
„Was soll das sein?“, fragte er.
Okay, daran musste sie sich erst noch gewöhnen. Die Kids an ihrer
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