Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
unterschätzt und befand sich daher jetzt in ernsten Schwierigkeiten. Verzweifelt verdoppelte sie ihre Bemühungen, trat wild um sich und versuchte vergeblich, sich dem Griff des Mannes zu entwinden.
»Was haben wir denn hier, Angus?«, fragte einer der anderen, während er sich einen Stuhl heranzog und dann so dreist war, mit seiner groben Hand Vanessas Wange zu berühren.
Sie bedachte ihn mit einem bösen Blick und versuchte, vor seiner respektlosen Berührung zurückzuweichen. Wären ihre Hände frei gewesen, hätte sie ihn geohrfeigt oder ihm die Finger in die Augen gestoßen.
»Einen feinen hübschen Weiberrock«, sagte ein anderer Mann, der auf eine Art und Weise mit den Augenbrauen wackelte, die für Vanessa nur den Schluss zuließ, dass er sie anziehend fand. Die Ironie der Situation entging ihr nicht. Da gab es endlich Männer, deren sexuelles Interesse sie weckte, etwas, was sie bisher nicht gekannt und was ihre Mutter immer stark beunruhigt hatte. Aber heiratswürdige, angemessene Männer waren diese derben Kerle natürlich nicht.
Der Mann, der sie auf seinem Schoß festhielt – Angus hatte der andere ihn genannt –, versuchte, seine Hand an ihrem Bein hinaufgleiten zu lassen, aber sie konnte seine Bemühungen gerade noch mit einem Ellbogenstoß in seinen Unterleib durchkreuzen. Der Mann neben ihr riss an ihrem Haar und zog ihren Kopf zurück, sodass sie sein schmutziges Gesicht dicht über ihrem sehen konnte. Ein übler Geruch nach Bier und Fäulnis ging von seinen gelben Zähnen aus, der ihr die Tränen in die Augen trieb.
»Oh, da bist du ja, Liebes«, sagte eine weitere männliche Stimme hinter ihr. »Und Sie würde ich freundlich bitten, Ihre Hände von meiner Verlobten zu nehmen.«
Den Besitzer der Stimme konnte Vanessa nicht sehen, aber er klang auf jeden Fall ganz anders als die anderen. Obwohl auch er den singenden Tonfall der Schotten hatte, war seine Stimme weitaus kultivierter und seine Ausdrucksweise geschliffener. Und obschon seine Worte höflich waren, lag etwas gefährlich Drohendes in seinem Ton.
»Ihre Verlobte?«, fragte Angus.
»Aye. Ich sagte, lassen Sie sie los.«
»Wie Sie wollen«, erwiderte der Rüpel und ließ Vanessa mir nichts, dir nichts auf den harten Dielenboden fallen.
Sie landete mit einem harten Aufprall, bei dem ihr Wollkleid hinaufrutschte und ihre Knöchel offenbarte. Eine Hand ergriff die ihre, um ihr aufzuhelfen. Sie konnte gerade noch ihr Notizbuch aufheben, bevor sie hochgezogen wurde.
Als sie aufblickte, sah sie ein schon fast beunruhigend gut aussehendes Gesicht vor sich – das schönste, das sie je bei einem Mann gesehen hatte. Sein langes braunes Haar hing in wirren, ungekämmten Strähnen um sein Gesicht, aber sie konnte sehen, dass es frisch gewaschen und überhaupt nicht so wie die fettigen, verfilzten Mähnen der anderen Männer war. Ein Eintagesbart bedeckte seine Wangen und sein Kinn, der allerdings nicht ausreichte, um seine sinnlichen Lippen zu verbergen, die zu einem leichten Grinsen verzogen waren. Aber es waren vor allem seine kristallklaren grünen Augen, die Vanessa so sprachlos machten, dass sie nur nicken konnte wie ein Einfaltspinsel.
Er hielt sie dicht an seiner Seite. Bisher hatte noch niemand einen Streit begonnen, doch zwei der Schotten standen noch immer in einer Haltung da, die darauf schließen ließ, dass sie jeden Moment eine Rauferei beginnen könnten. Vanessa merkte, dass sie den Atem anhielt, und ließ ihn langsam wieder aus.
»Soso, Engländer«, sagte Angus, während er ihren Retter musterte. »Du bist also wieder in die Wildnis unserer Berge zurückgekehrt?«
»Das passt ja gut, dass du dir ’ne feine Lady zum Heiraten mitgebracht hast«, warf ein anderer ein. »Was is’n los mit unseren einheimischen Röcken? Die sind wohl nicht mehr gut genug für deinesgleichen?«
Die Männer brachen in brüllendes Gelächter aus.
So nahe, wie Vanessa ihrem Retter war, konnte sie ihn sogar riechen. Eine angenehme Mischung aus Seife, Leder und dem reinen Geruch der sauberen Highlandluft stieg ihr in die Nase. Sie konnte sich gerade noch zusammennehmen, bevor sie die Augen schloss, um den Duft genüsslich einzuatmen.
»Hast du sie mit hergebracht, um sie zu ehelichen, wie es sich gehört?«, wollte Angus mit einem breiten Grinsen wissen, das den Blick auf seine schlechten Zähne lenkte.
»Das geht dich einen feuchten Kehricht an«, erwiderte Vanessas Retter. Aber sie bemerkte ein nervöses Zucken an seinem Kinn.
»Ein
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