Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
auch sehr lange und tat mein Möglichstes, um es ihm bewusst zu machen. Aber all meine Bemühungen waren vergeblich«, sagte sie mit einem traurigen kleinen Lachen, während sie geistesabwesend mit dem Haar auf Graemes Brust spielte.
Aus eigener Erfahrung wusste Graeme nur zu gut, wie es war, eine Beziehung zu einem Vater aufbauen zu wollen, der sich einen Dreck um einen scherte. Auch sein Vater war grausam gewesen – nicht so sehr, was körperliche Misshandlungen anging, aber er hatte Graeme mehr Standpauken gehalten, als er zählen konnte.
»Auf jeden Fall gab meine Mutter irgendwann auf und überließ mich von da an mir selbst. Als ich über eine journalistische Fachzeitschrift mit Jeremy zu korrespondieren begann, hatte ich keinerlei romantische Vorstellungen dabei. Für mich war er nur ein weiterer Wissenschaftler, der ähnliche Ansichten wie ich zu vielen Themen hatte. Zumindest anfangs. Nachdem wir uns etwa einen Monat Briefe geschrieben hatten, kam er zu einer Fachtagung nach London. Wir trafen uns zum Tee, und unsere rein berufliche Freundschaft blieb bestehen.«
Graeme fuhr mit den Fingern durch ihr weiches Haar.
»Eines Tages kamen wir rein zufällig auf das Thema Liebe zu sprechen und merkten ziemlich schnell, dass wir beide die gleiche Ansicht darüber hatten. Eines führte zum anderen, und ehe ich mich’s versah, hatten wir eine Verlobung ausgemacht, beide in dem Glauben, wir hätten die perfekte, auf beruflichem Respekt beruhende Verbindung. Wir wurden nie geplagt oder abgelenkt von den erotischen Emotionen, unter denen so viele Leute in unserer Bekanntschaft zu leiden schienen.«
Es war eine logische, wenn auch naive Schlussfolgerung, aber das wollte Graeme ihr nicht sagen. Obwohl er selbst nicht sicher war, dass Liebe ein anhaltendes Gefühl war, wusste er doch, dass es sie gab, hatte er doch zwei seiner Freunde diesem Gefühl verfallen sehen. Und er wusste auch, dass seine Mutter, und wenn es noch so dumm von ihr gewesen war, seinen Vater einmal aufrichtig geliebt hatte.
Vanessa lachte leise, obwohl ihre Stimme nicht die geringste Heiterkeit verriet. »Wer könnte es Jeremy verargen, was er tat, als er Violet begegnete? Meine Schwestern sind beide sehr schön. Victoria ist bereits verheiratet und hat zwei Kinder, sodass also nur noch Violet und ich zu Hause waren. Sie war gerade erst neunzehn geworden, und obwohl sie schon ein großer Erfolg bei den Männern in London war, hatte sie doch noch keine Heiratsanträge erhalten. Wir wussten jedoch alle, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, weil sie wirklich sehr, sehr hübsch ist.«
» Du bist hübsch«, sagte Graeme.
Diesmal lachte sie mit aufrichtiger Belustigung.
Graeme legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie sanft, ihn anzusehen. »Das meine ich ernst, Vanessa. Du bist bezaubernd. Die schönste Frau, der ich je begegnet bin.«
Sie öffnete schon den Mund, um ihm zu widersprechen, schloss ihn dann aber wieder und lächelte Graeme an. »Danke.«
»Bereust du es?«, fragte er.
»Was?«
»Dass du Jeremy nicht geheiratet hast?«
»Du liebe Güte, nein! Du bist viel, viel besser«, erwiderte sie mit einem mutwilligen Grinsen. »So ablenkend die körperliche Liebe mit dir auch ist, hätte ich sie mit Jeremy doch wahrscheinlich nie auf die gleiche Art erlebt.« Dann runzelte sie die Stirn. »Nein, ganz sicher nicht. Jeremy war …« Sie legte den Kopf ein wenig schräg und suchte nach der richtigen Beschreibung, »… fade.«
Graeme lachte herzhaft. »Du bist sehr unterhaltsam, Herzogin.«
»Freut mich, dass du so denkst«, erwiderte sie, aber er konnte sehen, dass sie etwas unausgesprochen gelassen hatte. Er fragte sich, ob es etwas damit zu tun haben mochte, dass sie sich nie irgendwo zugehörig gefühlt hatte. Aber wie dem auch sei – jetzt gehörte sie zu jemandem, und zwar zu ihm. An seine Seite und in Höhlen, selbst wenn sie ihm entgegen seiner Anweisungen dorthin folgte.
Er schluckte hart, als ihm schlagartig eine Erkenntnis kam. Es war kaum zu glauben, aber er hatte sich in seine eigene Frau verliebt!
Vanessa fragte sich, ob sie zu viel erzählt hatte. Vielleicht hielt Graeme sie jetzt auch für eine Närrin. Er hatte schon lange nichts mehr gesagt, sondern nur schweigend neben ihr gelegen und sie geistesabwesend gestreichelt.
Es hatte ihr gutgetan, alles auszusprechen, was sie schon so lange quälte und sie stets für sich behalten hatte. Heute kümmerte es sie nicht mehr, dass sie ihrem Vater nicht hatte
Weitere Kostenlose Bücher