Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
gequältes Stöhnen heraus. Es reichte allerdings, um sich einen bösen Blick des Raben einzufangen.
»Bringen Sie mich nicht dazu, zu bereuen, dass ich Sie so lange am Leben lasse.«
Seine Drohung genügte, um Vanessa von weiteren Versuchen abzuhalten. Selbst das Atmen fiel ihr schwer, und in ihrem Mund begann sich Speichel anzusammeln, der ihr das Schlucken sehr erschwerte.
Es musste doch einen Ausweg aus all diesem Schlamassel geben. Während der Rabe sich auf die Tür konzentrierte, machte Vanessa sich seine Unaufmerksamkeit zunutze. Sie schob die Hände in ihre Tasche und suchte, fand aber nichts Nützliches, bis ihre Finger Leder am Boden berührten. Ihr Werkzeug! Sie hatte es nicht aus der Tasche genommen, als sie zu der Abtei in den Bergen gefahren waren. Großartig! Es gelang ihr, die Rolle aufzuschnüren, und sie tastete nach etwas, das ihr als Waffe dienen konnte. Sie mussten hier heraus. Die Wachen der Königin würden Ihre Majestät beschützen, aber Vanessa und Dougal waren ganz allein auf sich gestellt.
Schließlich stießen ihre Finger gegen den Handpickel mit seiner langen, scharfen Spitze. Vorsichtig zog sie ihn heraus. Während sie ihn zwischen den Falten ihres Mieders versteckte, plante sie bereits ihren nächsten Schritt. Dougal war noch immer bewusstlos, würde aber hoffentlich bald wieder zu sich kommen. In dem nur schwach erhellten Raum konnte sie es nicht genau sehen, aber die Blutung schien zum Stillstand gekommen zu sein. Obwohl Vanessa ihn nur äußerst ungern in den Händen des Raben zurückließ, würde sie vielleicht keine andere Möglichkeit haben. Und wenn sie fliehen und Hilfe holen konnte, würde sie es tun.
Ihre Hände waren gefesselt, ihre Füße aber nicht. Leise schlich sie sich an den Raben an, der vorgebeugt dastand und sein Ohr an die Tür drückte. Wie eine Raubkatze sprang sie ihm auf den Rücken und warf ihm ihre gefesselten Hände um den Nacken. Dann zog sie ihre Hände zurück, so weit sie konnte, sodass sich der Stoff zwischen ihren Handgelenken an seiner Kehle straffte, und versuchte, ihre Beine um seine Taille zu schlingen und ihn von der Tür wegzuziehen.
»Dämliches Frauenzimmer«, fauchte er und wehrte sich nach Kräften, aber sie ließ nicht locker und zog den Stoff an seiner Kehle immer fester an. Schließlich riss der Rabe die Hände hoch und band den Stoff an ihren Händen los, um den Druck auf seinen Hals zu lockern. Jetzt konnte er sie mühelos von seinem Rücken abschütteln und schleuderte sie gegen eine steinerne Grabstätte, wo er blitzschnell neben ihr war und ihr die Hände um den Hals legte.
Vanessa rang nach Atem. Ihre Lungen brannten und verkrampften sich, während sie vergeblich versuchte, nach dem Raben zu treten.
Dougal regte sich, aber er hatte sich noch nicht erhoben.
Vanessa holte mit ihren scharfen Fingernägeln nach dem Gesicht des Raben aus und hinterließ blutende rote Kratzer, wo sie ihn getroffen hatte. Dann griff sie zwischen die Falten ihres Mieders, zog die kleine Waffe heraus und stieß sie dem Raben ohne Zögern in den Nacken. Blut schoss aus der Wunde, und er taumelte von ihr weg. Noch immer heftig nach Atem ringend, eilte sie auf Dougal zu.
»Dougal«, keuchte sie. »Wir müssen weg. Steh auf.«
Der Junge rappelte sich augenblicklich auf.
Der Rabe presste eine Hand an die Wunde an seinem Nacken und funkelte sie böse an. »Es ist noch nicht vorbei«, fauchte er.
Aber Vanessa und Dougal rannten bereits aus dem Zimmer.
Dem Raben blieb keine Zeit, um sie mit diesen beiden Idioten zu verschwenden. Er griff nach dem spitzen Gegenstand in seinem Nacken und zog ihn vorsichtig heraus. Die Wunde würde vielleicht noch eine Weile bluten, aber er wusste, dass er sich nicht in tödlicher Gefahr befand. Obwohl die Verletzung wahnsinnig schmerzte, war sein Kopf so klar wie immer, und das konnte nur bedeuten, dass Vanessa keine größere Arterie getroffen hatte. Aber warmes Blut lief seinen Nacken hinunter, über sein Schlüsselbein und Brustbein.
Dieses gottverdammte kleine Biest!
Aber es gab wichtigere Frauen, mit denen er sich befassen musste. Durch eine Ritze in der Tür konnte er jetzt Königin Victoria sehen. In der schwarzen Trauerkleidung und dem kleinen Hut mit Federschmuck wirkte sie älter, und auch ihre Haut war längst nicht mehr so glatt wie früher. Aber der Rabe hatte keine Hemmungen, eine hilflose ältere Frau zu töten; sie war schließlich die Königin.
Kurzerhand trat er die Tür auf. Ihre Majestät befand
Weitere Kostenlose Bücher