Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
spätnächtliche Besprechungen jedoch hervorragend geeignet war.
»In Westminster wurde eingebrochen«, sagte Jensen, kaum dass Moira außer Hörweite war. »Die Polizei kann nicht einmal sagen, wie der Einbrecher hineingelangt ist, da die Wachen wie immer die ganze Nacht hindurch ihren Dienst getan haben.«
»Durch Bestechung«, sagte Graeme. »Wahrscheinlich sind sich nicht einmal die Wachen der Königin zu fein dazu.«
Jensen nickte. »Vermutlich nicht.« Er ging zu einem Sessel am Kamin hinüber und ließ sich darin nieder.
»Was haben sie gestohlen?«, fragte Graeme, aber irgendwie wusste er schon genau, was Jensen sagen würde. Warum wäre er wohl sonst hier, um mit ihm zu reden?
»Den Stein der Vorsehung«, sagte Jensen.
»Den falschen«, ergänzte Graeme.
Jensen nickte. Es war bei Solomon’s allgemein bekannt, dass Graeme der unerschütterlichen Überzeugung war, dass der in Westminster Abbey aufbewahrte Stein der Vorsehung eine Fälschung war.
»Ich kann nicht sagen, dass mich das überrascht. Er wäre eine wertvolle Beute für jemanden, der glaubt, es sei der echte Stein«, sagte Graeme. »Aber es gibt sicherlich noch andere Schätze, sehr viel wertvollere, die sich anderswo in London finden ließen.«
»Genau. Warum sollte also jemand – und entschuldige die Respektlosigkeit – ein Stück Sandstein wollen?«, fragte Jensen.
Graeme musste lächeln. Es gab viele, die seine Suche nach dem echten Stein der Vorsehung nicht verstanden. Ja, manchmal gab es sogar Momente, in denen er sich selbst nicht sicher war, warum er diesen brennenden Wunsch verspürte, ihn zu finden. Aber er wusste, dass der Stein ein Artefakt war, das vom schottischen Volk verehrt wurde. König Edward I. hatte es einst aus Schottland gestohlen, und Graeme wünschte sich nichts mehr, als es den Schotten zurückzugeben.
»Es ist die Antwort auf diese Frage, was uns beunruhigt«, sagte Jensen.
»Nun ja, es gibt Leute, die den Stein für ein biblisches Relikt halten«, sagte Graeme.
»Ja«, spöttelte Jensen. »Für das Kopfkissen, auf dem Jakob seine prophetischen Träume hatte.« Er hielt einen Moment inne, bevor er hinzufügte: »Graeme, setz dich bitte.«
Graeme tat, was Jensen sagte, wenn auch mehr aus Neugierde als aus Gehorsam. Jensen war seit mehr als zwanzig Jahren Mitglied bei Solomon’s und blieb die meiste Zeit für sich. Er beschäftigte sich eigentlich nur dann mit anderen Mitgliedern, wenn es an der Zeit war, jemand Neuem die Mitgliedschaft im Club anzubieten, oder wenn ein Problem auftrat, das eine sofortige Lösung erforderte. Wie in der derzeitigen Situation, nahm Graeme an.
»In jüngster Zeit sind uns einige möglicherweise besorgniserregende Dinge zu Ohren gekommen«, sagte Jensen.
Er sprach stets im Plural. Graeme wusste, dass es noch andere bei Solomon’s gab, die im Hintergrund arbeiteten, doch meistens bedeutete ›wir‹ nur Jensen. »Und?«, hakte Graeme nach.
Jensen verschränkte seine langen Finger auf dem Schoß. »Ich fürchte, es hat etwas mit deinem Cousin zu tun.«
»Mit meinem Cousin?«
»Ja, mit Niall Ludley«, antwortete Jensen ernst.
Aha. Graeme nickte. Er kannte Niall natürlich, da sie zusammen aufgewachsen waren, aber er betrachtete ihn nur selten als Verwandten. Er gehörte zur väterlichen Seite seiner Familie, zur englischen. Niall war der Sohn von Graemes Tante väterlicherseits und trug den Titel des Grafen von Camden. Graeme hatte angenommen, dass Niall mehr wie Graemes Vater und der Rest ihrer adeligen englischen Verwandtschaft sein würde – nämlich steif und kalt, und daher hatte er sich nie um mehr als eine halbwegs freundschaftliche Beziehung zu seinem Cousin bemüht.
»Ich fürchte, wenn es hier um Niall geht«, sagte er, »werde ich euch keine große Hilfe sein können. Wir stehen uns nicht sehr nahe.«
»Was bedeutet …?«, hakte Jensen nach.
Graeme zuckte mit den Schultern. »Dass ich ihn kenne und wir zwar höflich miteinander umgehen, uns aber nicht wie Brüder nahestehen.« Wie es unter nahen Verwandten eigentlich sein sollte.
»Aber du wusstest, dass er auch ein Mitglied von Solomon’s war«, sagte Jensen.
Graeme nickte langsam. »Ich erinnere mich, vor ein paar Jahren im Mitteilungsblatt von seiner Mitgliedschaft gelesen zu haben.«
Jensens Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Du überraschst mich«, sagte er mit einem schwachen Lächeln um die Mundwinkel.
»Weil du genau im Auge behältst, was all deine Verwandten tun?«, fragte Graeme, der mit
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