Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
verließ. Und seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen.
Warum hatte dieses verdammte sture Frauenzimmer seine Warnung nicht beherzigt? Er hatte ihr deutlich genug erklärt, dass sie hier allein nicht sicher war, und trotzdem war sie davonmarschiert und hatte sogar diesen schweren Schrankkoffer hinter sich hergeschleppt. Allerdings musste er zugeben, dass er froh war, nicht auch noch einen Zug besteigen zu müssen, um das Mädchen in London aufzuspüren.
Graeme machte sich auf den Weg zu dem Gasthaus, in dem er Vanessa zwei Abende zuvor begegnet war, aber auch hier fand er keine Spur von ihr. Als hätte er verdammt noch mal nichts Besseres zu tun! Er musste arbeiten, nicht nur an seinen eigenen Recherchen, sondern nun auch noch in dieser Angelegenheit für Solomon’s.
Auch im einzigen Warenhaus der Ortschaft fragte er nach seiner Frau , aber auch hier war sie von niemandem gesehen worden. Als er das Geschäft schon wieder verlassen wollte, erinnerte sich ein Mann an sie. Er hatte sie lange Zeit oben auf dem Hügel auf ihrem Koffer sitzen sehen, bis sich ihr ein Herr genähert hatte und sie zusammen in seiner Kutsche weggefahren waren.
Soweit Graeme wusste, benutzte nur ein Mann in diesem Dorf eine Kutsche, um jedoch ganz sicher sein zu können, fragte er: »Wie sah dieser Herr aus?«
Der grauhaarige Mann zuckte mit den Schultern. »Es war dieser Engländer, der das Haus dort oben auf dem Hügel hat.«
Das klang definitiv nach Niall. »Welche Haarfarbe hatte er?«
»Blond. Sie sind in diese Richtung gefahren.« Der Mann zeigte nach rechts.
Niall. Nun, zumindest bot sich ihm dadurch die Möglichkeit, Kontakt zu seinem Cousin aufzunehmen. Aber was könnte Niall von Vanessa wollen? Falls sein Cousin tatsächlich in gefährliche Unternehmungen verwickelt war, war das Letzte, was Graeme brauchte oder wollte, dass seine vorläufige Ehefrau darin verwickelt wurde. War Niall nicht auch verheiratet? Bisher hatte er immer angenommen, dass sein englischer Cousin so harmlos wie ein milder englischer Winter war. Wie ärgerlich, sich so in ihm geirrt zu haben. Es schien, als könnte Graeme die englische Seite seiner Familie jetzt nicht länger ignorieren.
Graeme bedankte sich bei dem Mann, der ihm die Auskunft gegeben hatte, und ging. Er brauchte fast zwanzig Minuten für den Weg zu Nialls Haus. Zu Pferd wäre es schneller gegangen, aber er hatte nicht gedacht, dass er eins brauchen würde. Nialls Anwesen befand sich nur ein Stück weit außerhalb des Dorfes. Man hatte von dort immer noch die Aussicht auf den See, auch wenn es weit oberhalb der anderen Häuser lag.
Graeme ging die Einfahrt zu dem Herrensitz aus rotem Backstein mit den hohen weißen Säulen davor hinauf. Das Haus verfügte über zwei Etagen und war von gepflegten Rasenflächen umgeben. Er stieg die breite Treppe hinauf und ließ den Türklopfer gegen die auf Hochglanz polierte Tür fallen.
Der Butler öffnete und nickte, als er Graeme sah, trat beiseite und bat ihn herein. »Euer Gnaden«, begrüßte er ihn höflich. »Mylord hält sich in seinem Arbeitszimmer auf. Er hat Besuch.«
Graeme ersparte sich einen Kommentar und trat stattdessen einfach an dem Diener vorbei in die Eingangshalle. Nialls Arbeitszimmer befand sich im ersten Stock auf der rechten Seite des Gangs, und obwohl die Tür nicht geschlossen war, stand sie doch nur einen winzigen Spaltbreit offen. Graeme stieß sie auf, und sofort sprang Niall auf. Die Situation war allerdings völlig harmlos, da Niall hinter seinem Schreibtisch gesessen hatte und Vanessa auf einem Stuhl ihm gegenüber.
»Graeme!«, sagte Niall sichtlich überrascht. »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«
»Ich bin nicht deinetwegen hier«, erwiderte Graeme, ohne den Blick von Vanessa abzuwenden. Obwohl er sich auf jeden Fall mit Niall befassen musste, wollte er ihn zunächst nur beschatten, um zu sehen, was er herausfinden konnte, ohne seinen Cousin direkt zu fragen. Und um alles noch komplizierter zu machen, hatte Graeme nun auch noch diese ungewollte Ehe am Hals.
Vanessas Augen weiteten sich vor Erstaunen, aber dann ersetzte ein Stirnrunzeln ihren überraschten Ausdruck, und sie stand auf. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen«, erklärte sie und verschränkte trotzig ihre Arme vor der Brust.
»Sie werden mich begleiten müssen«, sagte Graeme.
»Wieso? Damit Sie mich wieder zum Bahnhof bringen können?« Abrupt wandte sie sich ihm zu, um ihm ins Gesicht sehen zu können, zögerte und umklammerte mit ihren blassen
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