Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
Cousin«, sagte Dougal fröhlich. »Mein Vater war aus London.«
»Vielleicht solltest du mich mal in London besuchen«, schlug Niall vor. »Aber jetzt müssen wir wirklich unsere Besprechung fortsetzen, Dougal.« Er legte dem Jungen die Hand auf den Rücken und führte ihn zur Tür.
»Dann bist du ja zur Hälfte Engländer«, warf der Rabe ein, obwohl er wusste, dass er, je länger er den Bengel zum Bleiben ermutigte, Niall umso länger von den Höhlen und seiner Suche abhielt. Aber der Rabe konnte einfach nicht der Versuchung widerstehen, ein Weilchen mit ihnen zu spielen.
»Ja, das bin ich«, erwiderte Dougal begeistert. »Aber anders als mein Bruder, der die meiste Zeit in London lebt, bin ich hier in Schottland aufgewachsen.«
»Und dein Bruder hat den Titel deines Vaters geerbt?«, fragte der Rabe.
»Genau. Er ist ein Duke of London«, sagte der Junge.
»Wie schön.« Und ungeheuer töricht. Dieser Junge hielt wirklich nichts verborgen. »Ich nehme an, du meinst, dass er einen Herzogtitel hat und in London lebt.«
Der Junge errötete vor Verlegenheit. »Ja, das ist es, was ich meinte.«
Der Rabe konnte deutlich sehen, wie sehr dieser Junge sich das Leben eines Aristokraten wünschte. Und wie das aussah, konnte der Rabe ihm zeigen.
Niall sah ihn beschwörend an und versuchte verzweifelt, Dougal zu beschützen, bis der Rabe schließlich nichts mehr sagte. Der Junge langweilte ihn ohnehin schon. Und er wollte Nialls Pläne für die Suche hören.
Aber dieser Junge könnte das perfekte Mittel sein, um Graeme loszuwerden, falls der sich als Problem erweisen sollte. Und da der Rabe sich beinahe sicher war, dass Graeme ihm eine Menge Schwierigkeiten machen würde, musste er dafür sorgen, dass er den jungen Dougal wiedersah.
Kapitel sechs
N iall hatte Graeme und Vanessa freundlicherweise seine Kutsche angeboten, die sie gerne angenommen hatten. Vanessa dachte nicht daran, ihren Schrankkoffer erneut mit sich herumzuschleppen, und sie wollte auch nicht Graeme um Hilfe bitten. Eine Zeitlang saßen sie sich schweigend gegenüber, was ihr nur recht war, weil sie versuchte, sich darüber klar zu werden, was genau geschehen war. Sie war nach Schottland gekommen, um zu forschen und ein für alle Male zu beweisen, dass eine Frau eine genauso seriöse Wissenschaftlerin sein konnte wie ein Mann.
Sie hatte Jeremy beweisen wollen, dass er hinsichtlich des Ungeheuers von Loch Ness im Irrtum war. Wenn ihr das gelang, konnte sie hoffen, endlich ihren rechtmäßigen Platz unter all den anderen Paläontologen einzunehmen. Da ihr Vater bedauerlicherweise nicht mehr lebte, würde er es nicht mehr erleben, aber jetzt brauchte sie sich wenigstens nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ihre Entdeckungen ihren Ehemann in Verlegenheit bringen würden oder nicht. Jeremy mochte anderer Meinung sein als sie, aber er konnte jetzt keinen Anspruch mehr auf sie erheben.
Vanessa zog den kleinen Vorhang am Kutschenfenster zurück und betrachtete die vorbeiziehende Umgebung. Die Landschaft hier, die noch so ursprünglich und unberührt vom Menschen war, stand in krassem Gegensatz zu dem geschäftigen Treiben auf den belebten Londoner Straßen.
Während sie also auf der Flucht vor einer Ehe gewesen war, die sie eigentlich nie wirklich gewollt hatte, war sie blindlings in eine andere hineingeraten. Sie hatte Graemes aufbrausendes Temperament schon kennengelernt und war sich daher ziemlich sicher, dass sein Charakter völlig anders war als Jeremys. Denn trotz all seiner Fehler und Schwächen, die jetzt nur allzu offensichtlich geworden waren, war er doch wenigstens ein Mann der Wissenschaft gewesen. Vernünftig und leidenschaftslos – oder jedenfalls, was sie betraf.
Obwohl eine Heirat mit Jeremy jetzt natürlich völlig außer Frage stand, hatte sie trotzdem gehofft, dass sie, falls sie eines Tages doch zu heiraten beschließen sollte, einen Mann wie ihn finden würde. Einen, der seine besseren Eigenschaften zeigte, und vor allem einen, der nicht mit ihrer Schwester schlief.
Stattdessen aber hatte sie Graeme geheiratet, sich an einen herrischen, starrköpfigen Mann gebunden, der sich keinen Deut um ihre Meinung scherte – und bis auf seine anfängliche Frage auch keinerlei Interesse an ihren Forschungen gezeigt hatte. Er hatte sich zwar nicht darüber lustig gemacht, sich aber auch nicht im Geringsten dafür interessiert. Im Grunde war das Einzige, was für ihn sprach, die Tatsache, dass er Violet noch nie begegnet war.
Vanessa
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