Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
nach einer Ausgabe gesucht.«
Kapitel fünf
G raeme betrat das Haus seiner Mutter durch die Hintertür. Die Küche war leer, aber er hatte das Glück, noch einen Rest des Frühstücks auf dem Tisch zu finden. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und nahm sich hungrig ein Stück Brot und etwas eingemachtes Obst. Während er nachdenklich kaute, fragte er sich – wie schon auf dem ganzen Weg nach Hause –, ob er das Richtige für Vanessa getan hatte. Natürlich war Schottland kein Ort für sie. Sie war viel zu kultiviert, viel zu zart, um hier ohne eine Anstandsdame oder einen Beschützer zu überleben, und er hatte keine Zeit für eine solche Aufgabe. Er hatte sogar dem Stationsvorsteher etwas Geld zugesteckt, damit er ein Auge auf Vanessa hatte, während sie am Bahnhof wartete.
Seine Mutter kam herein und geradewegs zu ihm hinüber. Ohne sich auch nur mit einem »Guten Morgen« aufzuhalten, gab sie ihm einen harten Klaps auf den Hinterkopf.
»Wenn du nicht langsam damit aufhörst, werde ich anfangen, einen eisernen Helm zu tragen«, sagte Graeme und rieb die schmerzende Stelle.
»Weißt du, was ich heute Morgen im Dorf gehört habe?«, fragte sie ihn streng.
»Woher soll ich das wissen?« Graeme warf ihr einen stirnrunzelnden Blick zu und legte sein Brot auf den Teller zurück.
Moira schob den Teller in die Mitte des Tischs. »Eine Heiratszeremonie? In einem verdammten Pub?«, fragte sie, und ihre Stimme wurde mit jedem Wort noch lauter. »Und dann hast du nicht einmal den Anstand, mir zu sagen, dass diese reizende Frau meine frischgebackene Schwiegertochter ist?«
Graeme öffnete den Mund, aber sie hielt nicht lange genug inne, um ihn antworten zu lassen. »Was glaubst du, wie ich mich fühle«, fuhr sie fort und stieß ihn bei jedem Wort gegen die Schulter, »wenn ich erfahre, dass mein ältester Sohn geheiratet hat und es mir nicht einmal erzählt? Und dann musste ich es auch noch von Mary McDonald erfahren.« Moira gab einen Laut von sich, der einem Knurren ähnelte. »Ausgerechnet von Mary McDonald! Wie peinlich. Du kannst froh sein, dass deine Großmutter nicht bei mir war. Sie hätte mehr getan, als dir nur einen Kopfstüber zu geben.«
»Beruhige dich doch, Mutter. Es hatte nichts zu bedeuten. Wir sind nicht wirklich verheiratet«, beteuerte Graeme. »Es war nur eine lächerliche Zeremonie in einem Pub, bei der nicht einmal ein Priester zugegen war.« Offen gestanden wollte er gar nicht daran erinnert werden, dass er den Sticheleien Angus’ und der anderen Männer nachgegeben hatte. Er hätte fest bleiben und das Mädchen retten sollen, ohne sich von den Kerlen in eine unerwünschte Ehe drängen zu lassen.
Er hatte Vanessa gerettet, und war dafür erst von ihr selbst und nun auch noch von seiner Mutter verspottet worden. Wäre es ihnen lieber gewesen, er hätte sich herausgehalten? Hätte sich um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert und woandershin geschaut, als diese Kerle sie belästigt hatten? Das bezweifelte er. Nein, er hatte das Richtige getan.
»Wo ist das Mädchen?«
Graeme zuckte mit den Schultern und zog seinen Teller wieder zu sich heran. »Ich habe sie am Bahnhof abgesetzt. Sie müsste schon sehr bald wieder auf dem Weg zurück nach London sein.« Er nahm einen Löffel von dem eingemachten Obst, schmeckte aber nichts, als er den Bissen aß.
»Aye. So ist das also! Du heiratest das Mädchen, und dann schickst du sie nach Hause zurück, während du weiter in den Bergen den Abenteurer spielst.« Sie schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
Graeme aß weiter. Vielleicht hätte er seiner Mutter von der Hochzeitszeremonie erzählen sollen, aber ihm war nicht bewusst gewesen, dass die Klatschmäuler hier ebenso aktiv waren wie in London. Er hätte nie gedacht, dass sie es herausfinden würde.
»Du enttäuschst mich, Junge«, fuhr Moira fort. »Was ist los mit dir, Graeme? Denkst du, wir sind nicht gut genug für deine feine Londoner Frau? Schämst du dich deiner einfachen schottischen Familie?«
»Also, erstens habe ich mich eurer noch nie geschämt und tue es auch jetzt nicht«, versetzte er. »Zweitens sind wir nicht wirklich verheiratet, oder jedenfalls nicht rechtmäßig. Es war kein Priester anwesend. Wir haben uns nur die Hände aneinanderfesseln lassen, weiter nichts. Und es gibt kein Gericht in ganz England, das diesen Brauch als legitime Heirat anerkennen würde.«
»Ah«, warf Moira ein und hob die Hand. »Ihr seid hier aber nicht in England,
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