Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
Schnee, als er den Hügel zu der Burgruine hinaufstieg. Unter ihm glitzerte Loch Ness zwischen dem Schnee. Die Sonne hatte sich jedoch schon aus der Wolkendecke hervorgekämpft; bis Mittag würde der Schnee geschmolzen sein, vermutete der Rabe.
Nachdem er über die Trümmer der einstigen Burgmauer hinweggestiegen war, stand er vor den Überresten der Burg. Die Höhlen befanden sich in dem Fels darunter, und dort würden sie den Schatz von Loch Ness finden, wie Niall immer wieder beteuerte.
Als Stimmen aus der Burg erklangen, hielt der Rabe inne und verbarg sich hinter einer Treppe, die nur noch ins Leere führte. Die Decke darüber war längst zerfallen und gab den Blick auf den Himmel frei. Die Stimmen – sie gehörten zwei Männern, vermutete der Rabe – kamen näher. Niall und Graeme?
Dieser gottverdammte Graeme, der nach wie vor ein Dorn in seinem Fleische war! Der Rabe war fest entschlossen, ihn umzubringen, sowie sich die Gelegenheit dazu bot. Natürlich riskierte er damit, den vollen Zorn von Solomon’s auf sich zu ziehen, aber es war ja nicht so, als würden sie ihn nicht ohnehin schon alle jagen.
Aber heute war nicht der Tag, an dem Graeme sterben würde, denn die beiden Männer, die aus der Burg kamen, waren weder Niall noch Graeme, sondern zwei Männer, die der Rabe aus London kannte. Den einen der beiden, Braden, kannte er besonders gut. Bis der Rabe vor einem Jahr hatte untertauchen müssen, waren sie Konkurrenten gewesen, Schatzjäger, deren Dienste jedermann für Geld in Anspruch nehmen konnte. Seit seinem erzwungenen Ruhestand waren die meisten der früheren Kunden des Raben von Braden abgeworben worden.
Der Rabe hatte sich jedoch an dem Mann gerächt. Keine zwei Monate zuvor war er in Bradens Haus eingebrochen und hatte König Davids Stein gestohlen, ein Relikt, das Braden selbst gefunden hatte und nicht verkaufen wollte. Es war einer der drei Steine, die zur Vervollständigung des Königsmachers nötig waren.
Zweifellos war Braden mit der Absicht hierhergekommen, den letzten Stein zu finden und ein Tauschgeschäft mit dem Raben zu machen. Aber Braden war ein Narr, wenn er glaubte, dass der Rabe sich auf einen solchen Handel einlassen würde.
»Finde ihn und komm dann wieder her«, sagte Braden zu seinem Begleiter. Als der Mann sich nicht rührte, stieß Braden einen tief empfundenen Seufzer aus. »Über die andere Sache reden wir später. Geh.« Und damit verschwand Braden auch schon wieder in der Burg.
Der andere Mann, den der Rabe nicht mit Namen kannte, von dem er aber wusste, dass er ein Geschäftspartner Bradens war, blieb noch einen Moment lang stehen, bevor er sich zum Gehen wandte. Der Rabe wartete, bis der Mann die Burg verlassen hatte, dann verließ er sein Versteck und folgte ihm.
Bradens Partner war größer und stärker als der Rabe, aber was Schläue und Gerissenheit anging, gab es niemanden, der sich mit ihm messen konnte. Sie hatten schon fast den Fuß des Hügels und den Anfang des Felsenstrandes erreicht, bevor der Mann bemerkte, dass ihm jemand folgte.
Der Rabe blieb stehen, als der Mann sich umdrehte.
»He, Sie da!«, sagte er mit rauer Stimme. »Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen reden«, erwiderte der Rabe.
»Dann reden Sie«, knurrte der Mann, der über die Störung sichtlich verärgert war.
Der Rabe trat näher und ließ seinen Blick aufmerksam über die nähere Umgebung schweifen. Aber da war nichts, was der Mann als Waffe benutzen könnte, falls er nicht schon eine bei sich trug. Und der Rabe hatte sogar drei: Ein Messer in seinem Stiefel, eine Pistole im Hosenbund und einen Dolch an seinem Gürtel. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.
»He«, sagte der Mann. »Kenne ich Sie nicht?«
Der Rabe zuckte mit den Schultern. »Möglich«, erwiderte er und griff in seinen Rock, um die Halterung des Dolchs zu lösen. Dies schien ein geradezu perfekter Tag zu werden.
Der Mann trat näher. »Natürlich kenne ich Sie! Sie sind der Mann, der Bradens Schatz gestohlen hat.«
Der Rabe lachte nur.
Der Mann kam sogar noch näher, spreizte leicht die Beine und nahm die Haltung eines Kämpfers ein. »Sind Sie auf einen Kampf aus, alter Mann?«
Es traf zu, dass der Rabe alt genug war, um der Vater dieses Manns zu sein. Sein eigener Sohn wäre etwa in dessen Alter gewesen. Aber Alter spielte keine Rolle.
»Sagen Sie mir, was Braden in den Höhlen von Loch Ness sucht«, fuhr der Rabe unbeeindruckt fort.
Der Blick des Mannes glitt an ihm vorbei zu der Burgruine auf dem
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