Das Geheimnis unserer Herzen: Roman (German Edition)
einen solchen Rat befolgen?«, fragte Sam.
»Wenn er von Jensen kommt, auf jeden Fall«, antwortete der Rabe. »Niemand hinterfragt die Worte dieses Mannes.«
Graeme warf den Brief auf den Schreibtisch und begann wie ein eingesperrtes Raubtier in dem kleinen Arbeitszimmer herumzutigern.
»Woher wusste er überhaupt, dass Braden hier ist?«, fragte Vanessa, die den Brief aufgehoben hatte und die schwungvolle Handschrift betrachtete.
»Jensen hat seine Mittel und Wege. Er scheint immer zu wissen, was gerade wo vorgeht«, sagte Graeme.
»Dann ist das also nicht ganz ungewöhnlich?« Vanessa blickte auf, aber Graemes Herumlaufen machte sie nervös.
»Nein, das ist es überhaupt nicht. Ebenso wenig wie sein Erscheinen hier in jener Nacht. Er hat viele Kanäle, durch die er Informationen bezieht.« Graeme blieb stehen und stützte seine Hände auf die Rückenlehne eines Stuhls.
Vanessa legte den Brief zurück. »Vertraust du ihm?«
Graeme sah ihr in die Augen. »Jensen? Absolut.«
Vanessa nickte. »Gut. Dann sollten wir seinen Rat befolgen.«
Graeme zog seine Hände von dem Stuhl zurück. »Was er schreibt, ist sehr vernünftig. Wir haben noch keine anderen Mitglieder von Solomon’s bei uns, und ich glaube nicht, dass wir Zeit haben, auf Esme und Fielding zu warten. Wir werden vielleicht tatsächlich Unterstützung brauchen, falls die Bewohner der Burg sich für unerwünschte Besucher nicht erwärmen können«, scherzte er.
»Allerdings«, stimmte Vanessa zu. »Außerdem hätte der Rabe Fitch nicht umgebracht, wenn Braden und seine Männer für ihn arbeiten würden.«
Graeme schwieg eine Weile, als überlegte er, und schließlich nickte er bedächtig. »Dann haben wir ein paar neue Partner, schätze ich.«
Braden zu überreden, sich ihrer Suche anzuschließen, war so leicht gewesen, wie ihm eine hübsche Summe dafür anzubieten. Graeme zog es vor, den Mann zu bezahlen, wie er es gewohnt war, statt zu versuchen, an ein vorhandenes oder auch nicht vorhandenes Ehrgefühl zu appellieren. Es hatte geklappt, und nun gingen Graeme und Vanessa mit Braden und Sam schweigend durch die Nacht auf Cawdor Castle zu. Der tief am Himmel stehende Vollmond erhellte die Landschaft vor ihnen.
Im Gegensatz zu den Ruinen von Urquhart war Cawdor Castle ein noch voll funktionsfähiges Gut des Grafen von Cawdor. Ein gepflegter Rasen umgab die Festung aus grauem Stein, eine Zugbrücke führte über einen ausgetrockneten Wassergraben zum Haupttor, und dichter Wald säumte das Areal hinter der Burg.
»Wo suchen wir zuerst?«, fragte Braden.
»Offenbar hat die Familie Cawdor König Williams Stein jahrhundertelang beschützt«, bemerkte Graeme.
»Sodass er also schwer bewacht sein wird«, fügte Braden hinzu.
Graeme nickte. »Höchstwahrscheinlich. Wir werden es zuerst in den Räumen versuchen, in denen niemand schläft, um die Bewohner nicht zu wecken.«
Durch das Haupttor in die Burg hineinzuspazieren, schien nicht der beste Weg zu sein, um unentdeckt zu bleiben, und deshalb sahen sie sich nach einem anderen Eingang um. An der Ostseite der Burg entdeckten sie einen. Bevor Graeme jedoch sein Werkzeug herausnehmen konnte, um das Schloss zu knacken, hatte Sam die Tür schon mit der Schulter aufgestoßen und das Schloss zerbrochen – eine wirksame Methode, aber nicht so raffiniert, wie Graeme es vorgezogen hätte.
Leicht verärgert, stieß Graeme den Atem aus. Er vertraute Braden oder seinem Partner Sam noch immer nicht. Sich an Jensens Rat zu halten, bedeutete nicht, dass Graeme auch völlig damit einverstanden sein musste. Außerdem hätte auch Jensen gewollt, dass er auf der Hut war.
Schweigend standen sie einen Moment im Dunkeln, um zu sehen, ob jemand auf sie aufmerksam geworden war. Aber es blieb alles still, und niemand kam.
»Wir nehmen diese Seite«, sagte Braden. »Such du mit deiner Frau den anderen Flügel ab.«
Graeme war es nicht gewöhnt, mit anderen zusammenzuarbeiten, schon gar nicht mit Leuten, die ihm vorschreiben wollten, was er zu tun hatte. Aber jetzt war nicht der richtige Moment für eine Diskussion darüber, und wenn sie getrennt suchten, würden sie auch viel schneller vorankommen. Deshalb nahm er Vanessa wortlos an die Hand und zog sie mit sich zur Eingangshalle.
Bald hatten sie den Haupteingang der Burg erreicht, ein elegantes Foyer mit einer Treppe am Ende und einer breiten Galerie im ersten Stock, von der man das ganze Erdgeschoss überblicken konnte. Bestimmt hatte der Graf schon mehr als einen
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